Donnerstag, 3. April 2014

Voll behindert?



Voll behindert?

Menschen mit Behinderungen sind mitten in unserer Gesellschaft. Im Freundeskreis, in der Familie, auf der Arbeit. Aber nicht jeder von uns begegnet täglich jemandem, der zum Beispiel im Rollstuhl sitzt oder gehörlos ist. Manche Behinderungen sind offen sichtbar, andere eher nicht. Vielleicht finden manche Leute deshalb solche Sprüche wie „Mann, das ist doch voll behindert, du Spast!“ völlig in Ordnung.  
Viele Menschen meinen das natürlich nicht böse oder bewusst abwertend. Aber das macht es nicht besser. Es geht ja eigentlich auch ohne den Spruch. ;) Vielleicht ist es mal an der Zeit, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen. Ich stelle heute ein paar Aktionen und Links vor, die ich interessant und sehens-/lesenswert finde.

Dieses Netzwerk richtet sich hauptsächlich an JournalistInnen, die über Menschen mit Behinderung (Definition im Sozialgesetzbuch: Sozialgesetzbuch)2 berichten wollen. Dort gibt es Tipps für Formulierungen, Interviews und Generelles für die Herangehensweise an Geschichten und journalistische Formate über Menschen mit Behinderung. Gegründet wurde das Ganze von den Sozialhelden3, einem gemeinnützigen Verein, der Menschen für gesellschaftliche Probleme sensibilisieren will und mittlerweile viele Aktionen und Projekte gestemmt hat.
Unter anderem das Projekt Wheelmap.4 Dort kann jeder rollstuhlgerechte Orte/Locations/Geschäfte eintragen und bewerten.

Den Betreibern von leidmedien geht es vor allem darum, dass nicht einseitig berichtet wird.
Dass Menschen mit Behinderung nicht „trotz Behinderung ihr Leben tapfer meistern“ oder „vom Schicksal gebeutelt sind“.
Diese Floskeln bürgern sich leider all zu schnell ein und man selbst ist auch ab und zu am Überlegen, wie man denn etwas am besten formulieren könnte, ohne jemandem auf den Schlips zu treten. Die Webseite öffnet einem da sehr gut die Augen.
Darüber hinaus gibt es viele Links zu gut gemachten Reportagen, Artikeln und Berichten, neben den leider häufig vorkommenden Negativ-Beispielen.

Diese amerikanische Web-Serie handelt vom Leben der Teal Sherer (angelehnt an das Leben der Schauspielerin), die in Hollywood auf den ganz großen Durchbruch hofft. Und sie sitzt im Rollstuhl. Dabei begegnet sie kleineren und größeren Hindernissen auf ihrem Weg zur erfolgreichen Karriere.
Was ich an der Serie sehr toll finde, ist der schwarze Humor. Ich „leide“ nicht mit der armen Rollstuhlfahrerin, sondern lache hingegen über die (manchmal für alle) peinlichen Situationen, den Wortwitz und die merkwürdigen Charaktere. Und so ganz nebenbei erfährt man welche Probleme, neben der stockenden Karriere und dem anstrengenden Mitbewohner, Teal zusätzlich begegnen.
Meine Lieblingsfolge: „Inspirational“6
Grandios! Achtung nicht jugendfrei!
Die zweite Staffel wurde übrigens erfolgreich durch Kickstarter finanziert. Ein Hoch auf Crowdfunding!

Ohrenkuss ist ein Magazin, das alle sechs Monate erscheint. 15 Menschen mit Down-Syndrom (wer nicht weiß, was das bedeutet: hier ein Link8) aus dem Raum Bonn/Rheinland schreiben über alles, was sie interessiert und bewegt, über Liebe, Sport, Essen und Trinken, Männer und Frauen. Mittlerweile gibt es auch einen Pool von 40 freien Textern mit Down-Syndrom aus ganz Deutschland.
Gegründet wurde das Magazin bereits 1998 als Forschungsprojekt von Katja de Bragança, zunächst mit vier gesponserten Ausgaben. Mittlerweise finanziert sich das Heft durch Abonnenten und Spenden; zusätzlich dazu gibt es Lese- und Recherchetouren.
Die Redaktion wird von fünf Assistenten unterstützt, die zum Beispiel von den Autoren diktierte Artikel mitschreiben oder weitere Hilfestellungen geben. Die Texte und Artikel werden aber nicht nachträglich korrigiert oder „verbessert“, so bleiben sie authentisch und im Stil der jeweiligen Autoren. Einen kleinen Einblick gibt es in diesem Bericht vom nano Magazin von 3sat: Link9
Das Heft erscheint nur im Printformat, aber auf der Homepage findet man einige Ausschnitte und Einblicke. Besonders schön: auch die Internetseite ist barrierefrei. Mehr zum Thema barrierefreies Internet gibt es hier.10

Und was ist eigentlich ein Ohrenkuss?

„Man hört und sieht ganz vieles – das meiste davon geht zum einen Ohr hinein und sofort zum anderen Ohr wieder hinaus.
Aber manches ist auch wichtig und bleibt im Kopf – das ist dann ein Ohrenkuss.“ 11

Hehe, das finde ich gut.

Menschen mit Behinderung sind mitten in unserer Gesellschaft, nicht am Rand. Klar kann man über Gleichberechtigung, Inklusion und Barrieren sprechen. Muss man sogar. Da gibt es noch viel zu tun, denn Menschen mit Behinderungen haben es immer noch schwer auf dem Arbeitsmarkt und sind finanziell schlechter gestellt. Viele leben in Sonderreinrichtungen.12
Deshalb sparen wir uns blöde Sprüche, sondern akzeptieren einfach, dass Menschen mit Behinderung dazu gehören. Zitat einer Ohrenkuss-Autorin:

„Ich habe Down-Syndrom
Aber ich stehe da zu
und ich bin kein Alien
denn ich bin so wie ich bin und jeder soll es verstehen
und mich respektieren“  Svenja Giesler 13


Und weils so schön ist: das Happy Video zum Welt-Down-Syndrom-Tag


Linkliste

1 Kommentar: