Donnerstag, 27. März 2014

Gedanken zum Völkerrecht



Gedanken zum Völkerrecht



Die Bundeszentrale für Politische Bildung formuliert das Völkerrecht als einen übergeordneten Begriff für Rechtsnormen, welche die Beziehungen zwischen unabhängigen Staaten untereinander und diesen Staaten zu internationalen Organisationen regeln.1
Dabei muss das Völkerrecht von den einzelnen Staaten anerkannt werden. Danach entstehen dann die unterschiedlichen Verträge und Abkommen. Es ist also kein Recht im eigentlichen Sinne, sondern zunächst eine Selbstverpflichtung der Vertragsstaaten die Vertragsinhalte einzuhalten.

Die Grundlage bilden die UN-Charta, die Menschenrechtserklärung und Abkommen des Europarates.

Nun gibt es bereits bei der Menschenrechtserklärung die Situation, dass einige unterzeichnete Verträge nicht von allen Staaten ratifiziert werden. (Zur Unterscheidung zwischen unterzeichnen und ratifizieren, siehe hier.2)
Zum Beispiel hat China immer noch nicht den Inter­na­tionalen Pakt über bürg­er­liche und poli­tis­che Rechte (UN-Zivilpakt) ratifiziert und die USA die UN-Kinderrechts-Konvention.
Im Endeffekt ist eine Unterzeichnung erst einmal nur ein Stück Papier, der Weg zur Einhaltung ein ganz anderer.


Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen und der Internationale Strafgerichtshof

Was haben wir also neben den Abkommen und Verträgen der souveränen Staaten untereinander, (dabei gibt es natürlich viele funktionierende Beispiele, wie die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als multilaterales Abkommen oder bilaterale Verträge zur Unterstützung und Hilfe bei Katastrophen) um das Völkerrecht zu stärken und die Verträge und Abkommen nicht nur als Papiere im Aktenschrank zu besitzen?

Zum einen gibt es den Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen. Der regelt unter anderem Streitigkeiten der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, wenn die besagten Staaten die Zuständigkeit des Gerichtshofes anerkennen und die Lösung dem Gerichtshof übertragen.3
Da sitzt natürlich bereits einer der Knackpunkte: die am Streitfall beteiligten UN-Staaten müssen sich freiwillig der Gerichtsbarkeit des IGHs unterwerfen. Der Gerichtshof kann sich nicht über die Souveränität eines Staates hinwegsetzen.
Das ist wichtig, schließlich bilden souveräne Staaten die Grundlage unserer Verhandlungsmöglichkeiten. Aber das schränkt die Anzahl der Lösungswege für besonders knifflige Situationen und Streitigkeiten zwischen Staaten ein.
Mehr zum IGH und einzelnen Gerichtsurteilen hier.4

Dann gibt es noch den Internationalen Strafgerichtshof

Dieser trat 2002 in Kraft, sitzt wie der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Der IStGH ist aber kein Organ der Vereinten Nationen, er ist eine unabhängige Organisation, mit dem Schwerpunkt auf der Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen (vermutlich ab 2017 soll auch das Verbrechen der Aggression, unter anderem also die bewaffnete Gewalt gegen die Souveränität eines anderen Staates, verfolgt werden).5
Grundlage bildet das Rom-Statut oder Römische Statut, ein völkerrechtlicher Vertrag, den bisher 122 Staaten unterzeichnet und ratifiziert haben.6
Im Gegensatz zum Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen regelt der IStGH Verfolgung und Bestrafung von Völkerrechtsverbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von einzelnen Verantwortlichen.
Einzelne Bedingungen für den Einsatz des IStGHs sind unter anderem:

  1. Staaten sind nicht in der Lage oder willens, bestimmte schwere Straftaten zu verfolgen
  2. Anerkennung des IStGHs entweder durch den Staat, in dessen Hoheitsgebiet das Verbrechen geschehen ist oder durch den Staat, dessen Staatsangehörigkeit der vermeintliche Täter besitzt
  3. Ein Vertragsstaat des IStGH, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder eine eigene Initiative des Anklägers unterbreiten dem IStGH eine völkerrechtswidrige Situation (siehe 5)

Dabei setzt sich der IStGH aber ebenfalls nicht über die Souveränität der Staaten hinweg, ersetzt nicht nationale Strafgerichtsbarkeit oder nationale Verfahren. Nur, wenn die genannten Bedingungen zutreffen, kann der Gerichtshof aktiv werden.

Darüber hinaus haben nicht alle Staaten den IStGH anerkannt, China, Irak, Israel, Katar, Libyen, Indien, Sudan, Türkei und die USA lehnen den IStGH ab, 28 weitere Staaten haben das Rom-Statut zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, unter anderem Russland, Ägypten, Iran, Ukraine, Thailand.7
Zu der speziellen Beziehung der USA und des IStGHs siehe hier. 8

Momentan laufen Untersuchungen zum Sudan (in Darfur), der Demokratischen Republik Kongo, Uganda, der Zentralafrikanischen Republik, Kenia, Libyen, Elfenbeinküste und Mali.
Darüber hinaus laufen Voruntersuchungen zu Afghanistan, Kolumbien, Nordkorea, Georgien, Guinea, Honduras, Nigeria und Palästina.6

Kritik ist da natürlich laut, dass der IStGH nur ein Verwaltungsapparat ohne Durchschlagkraft ist und wenn, eh nur die kleinen Fische verurteilt werden und die vielen Nichtratifizierungen und das blockierende Verhalten nicht nur von China, USA, Russland und Co ein Vorgehen gegen weltweite Menschen- und Völkerrechtsverbrechen nahezu unmöglich machen. Ein weiterer Kritikpunkt bleibt die Sorge vor willkürlicher politischer Verfolgung (vorgetragen von den USA).

Völkerrecht - Ukraine und Russland

„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“

So steht es in der Charta der Vereinten Nationen, Artikel 2, Ziffer 4.9

(Über Ausnahmen des Gewalteinsatzes siehe hier10).

Man kann und darf gerne über die anderen Rahmenbedingungen des Konflikts der Krim diskutieren. Über die vorangeschrittene EU-Osterweiterung, über die Legitimation der aktuellen (Übergangs-)Regierung der Ukraine und des vorherigen Putsches, über die historischen Gegebenheiten der ehemals und nun wieder russischen Krim, über die Rechtsmäßigkeit solch eines Referendums für die Abspaltung eines Gebietes von einem souveränen Staat.

Russland rechtfertigt den Einsatz russischer Streitkräfte auf der Krim unter anderem mit dem Schutz der russischen Bevölkerung dort.
Die UN-Charta sieht allerhöchstens eine Gewaltanwendung bei der Selbstverteidigung eines Staates vor (Artikel 51) und auch da bleiben Form und Ausmaß umstritten.11
Weitere Ausnahmefälle, wie humanitäre Interventionen oder die Rettung eigener Staatsbürger sind ebenfalls strittig und bewegen sich völkerrechtlich in einer Grauzone.
Diese Fälle liegen aber auf der Krim zu Beginn des Einmarsches russischer Truppen auch bei einer breiten Auslegung nicht wirklich vor. Wie man es dreht und wendet, erst einmal besitzt die gesamte Ukraine das Recht auf territoriale Unversehrtheit.
Das ist mit der Abspaltung der Krim nun nicht mehr gegeben.
Und egal, wie man diese Abspaltung rechtfertigen mag und wie sehr sich die dortige Mehrheit der Bevölkerung die Zugehörigkeit zu Russland wünschte, zunächst gelten die Grenzen, auf welche sich Russland und die Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages geeinigt haben.12
Deshalb ist meiner Meinung nach Russlands Aktion an der Krim ein Bruch des Völkerrechtes, den Russland aber für sich rechtfertigt.

Warum international wenige Handlungsmöglichkeiten bestehen

Wie oben beschrieben müssten sowohl Russland, als auch die Ukraine zustimmen, dass der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen die Verhandlungen der Streitigkeiten koordiniert. Die Entsendung von UN-Beobachtern ist ein guter Anfang, als neutrale Vermittler sind die Vereinten Nationen geeignet, aber trotzdem auf den guten Willen Russlands und der Ukraine angewiesen.

Der Internationale Strafgerichtshof kommt hier nicht zum Einsatz, schließlich müsste eine schwere Straftat wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegen. Interessant wird es ab 2017, sollte das Verbrechen der Aggression gegen Staaten mit in den Katalog des IStGHs aufgenommen werden.
Selbst wenn das zutreffen würde: sowohl die Ukraine, als auch Russland erkennen den IStGH nicht an. Da kämen wir also auch nicht konstruktiv weiter.

Gerade weil sich der Rest der Welt in Sachen Völkerrecht auch nicht gerade mit Ruhm beckleckert hat, bedarf es einer wohl überlegten Strategie zur Beruhigung der Lage. Übrig bleiben in diesem Fall momentan die gute alte Diplomatie und Geduld.

Was bringt das Völkerrecht?

Wie sollen also Rechte geschützt und Straftäter verurteilt werden, wenn weder der jeweilige völkerrechtliche Vertrag noch der Internationale Strafgerichtshof von betroffenen und/oder beteiligten Staaten anerkannt werden? Oder wenn diese Rechte und Verträge mit eigenen Rechtfertigungen übergangen werden?

Das wichtigste Mittel der internationalen Gemeinschaft bleibt der Dialog und die Diplomatie. Auf nichts anderem beruht das Völkerrecht.
Die meisten Staaten haben sich auf ein friedliches Zusammenleben und eine Zukunft ohne Krieg und Gewalt einigen können. Das ist ein Riesenschritt auf dem Weg in eine friedlichere Welt.

Völkerrechtliche Erfolge

Immanuel Kant träumte in seinem philosophischen Entwurf „Zum ewigen Frieden“ von dem „Völkerrecht, begründet auf einem Föderalismus freier Staaten“ (Kant S. 1613).
Sogar eine Weltrepublik konnte er sich vorstellen, prophezeite aber eher einen völkerrechtlichen Bund, der Kriege abwehrt und „feindselige und rechtsscheue Neigungen zurückdrängt“, mit der Gefahr, dass Kriege dann trotzdem immer wieder auftreten können (ebd. 20).

Grob gesagt legt das Völkerrecht, so wie es momentan existiert, den Vertrags-Staaten immer größere Hürden auf, Menschenrechtsverletzungen begehen zu können und fördert wirtschaftliche und soziale Entwicklungen. Der springende Punkt ist das „Mitmachen“.
Je mehr sich unsere Welt miteinander verstrickt und verknüpft, je mehr bilaterale und multilaterale Abkommen existieren, desto größer ist die Chance, dass jeder Mensch zu seinem Recht kommt und in Frieden und Freiheit leben kann. Klar ist das Zukunftsmusik und Idealismus, klar kann das alles missbraucht werden. Wir müssen aufmerksam bleiben und unsere Handlungen ständig überprüfen, ständig Menschenrechte und Gleichberechtigung für jeden Menschen einforden.

Auf wirtschaftlicher Ebene funktionieren viele völkerrechtliche Verträge und Abkommen bereits seit Jahrzehnten. Der nächste Schritt ist die konsequente Einhaltung der Menschenrechte unter der gemeinsamen Übereinkunft der souveränen Vertrags-Staaten. Es bedeutet zum Beispiel schon sehr viel, dass 34 afrikanische Staaten den IStGH anerkennen und dass dort die ersten Verhandlungen erfolgreich durchgeführt werden (zuletzt 14 Jahre Haft für Milizenführer Thomas Lubanga Dyilo aus der Demokratischen Republik Kongo 14).

Unsere gesamte Weltordnung besteht letztendlich erst einmal nur auf dem Papier. Unsere Grenzen sind zum Teil mit dem Lineal gezogen, unsere politischen Systeme haben sich innerhalb der letzten 2000 Jahre verändert, verfestigt, aufgelöst und wieder neu definiert.
Aber wir haben mittlerweile zum größten Teil verstanden, dass die meisten von uns in Frieden leben wollen. Das Völkerrecht ist unsere Richtlinie für diese mögliche, friedliche Welt. Es ist bei weitem noch nicht fertig und perfekt und es gibt noch viel zu tun, aber es ist ein Anfang.
Dabei finde ich es im Gegensatz zu Herrn Kant gut, dass die Staaten souverän bleiben und sich nicht irgendeiner ominösen Weltrepublik unterwerfen. Wir können uns auf gleicher Augenhöhe begegnen und Verträge schließen, an die wir uns halten wollen.
Halten wir uns also auch daran, lassen wir das Völkerrecht nicht als Papierstapel im Schrank verrotten!

Linkliste

1http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/18430/voelkerrecht
2http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/entwicklungspolitik/oft-gestellte-fragen/was-ist-der-unterschied-zwischen-unterzeichnung-und-ratifizierung.html
3http://www.unis.unvienna.org/pdf/Treaty_2008_fact_sheet_5_de.pdf
4http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/PUBLIKATIONEN/Basis_Informationen/BI38-final.pdf
5http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/InternatRecht/IStGH/Hintergrund_node.html
6http://www.icc-cpi.int/en_menus/icc/about%20the%20court/frequently%20asked%20questions/pages/faq.aspx
7http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52814/internationale-gerichtsbarkeit
8http://www.amnesty.de/umleitung/2003/deu05/097?print=1
9http://www.unric.org/de/charta
10http://www.bpb.de/apuz/28036/gewalt-und-gewaltverbot-im-modernen-voelkerrecht?p=all
11http://www.un.org/depts/german/un_charta/charta.pdf
12http://www.rferl.org/content/ukraine-explainer-budapest-memorandum/25280502.html
13Immanuel Kant - Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. hrsg. von Rudolf Malter, Reclam, Stuttgart 2008
14http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-07/lubanga-kongo-urteil

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