Gedanken zum Völkerrecht
Die Bundeszentrale für Politische
Bildung formuliert das Völkerrecht als einen übergeordneten Begriff für
Rechtsnormen, welche die Beziehungen zwischen unabhängigen Staaten
untereinander und diesen Staaten zu internationalen Organisationen regeln.1
Dabei muss das Völkerrecht von
den einzelnen Staaten anerkannt werden. Danach entstehen dann die
unterschiedlichen Verträge und Abkommen. Es ist also kein Recht im eigentlichen
Sinne, sondern zunächst eine Selbstverpflichtung
der Vertragsstaaten die Vertragsinhalte einzuhalten.
Die Grundlage bilden die UN-Charta, die Menschenrechtserklärung und Abkommen des Europarates.
Nun gibt es bereits bei der
Menschenrechtserklärung die Situation, dass einige unterzeichnete Verträge
nicht von allen Staaten ratifiziert werden. (Zur Unterscheidung zwischen
unterzeichnen und ratifizieren, siehe hier.2)
Zum Beispiel hat China immer noch
nicht den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische
Rechte (UN-Zivilpakt) ratifiziert und die USA die UN-Kinderrechts-Konvention.
Im Endeffekt ist eine
Unterzeichnung erst einmal nur ein Stück Papier, der Weg zur Einhaltung ein
ganz anderer.
Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen und der Internationale
Strafgerichtshof
Was haben wir also neben den
Abkommen und Verträgen der souveränen Staaten untereinander, (dabei gibt es
natürlich viele funktionierende Beispiele, wie die Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft als multilaterales Abkommen oder bilaterale Verträge
zur Unterstützung und Hilfe bei Katastrophen) um das Völkerrecht zu stärken und
die Verträge und Abkommen nicht nur als Papiere im Aktenschrank zu besitzen?
Zum einen gibt es den Internationalen Gerichtshof der Vereinten
Nationen. Der regelt unter anderem Streitigkeiten der Mitgliedsstaaten der
Vereinten Nationen, wenn die besagten
Staaten die Zuständigkeit des Gerichtshofes anerkennen und die Lösung dem
Gerichtshof übertragen.3
Da sitzt natürlich bereits einer
der Knackpunkte: die am Streitfall beteiligten UN-Staaten müssen sich
freiwillig der Gerichtsbarkeit des IGHs
unterwerfen. Der Gerichtshof kann sich nicht über die Souveränität eines
Staates hinwegsetzen.
Das ist wichtig, schließlich bilden
souveräne Staaten die Grundlage unserer Verhandlungsmöglichkeiten. Aber das
schränkt die Anzahl der Lösungswege für besonders knifflige Situationen und
Streitigkeiten zwischen Staaten ein.
Dann gibt es noch den Internationalen Strafgerichtshof
Dieser trat 2002 in Kraft, sitzt
wie der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Der IStGH ist aber kein Organ der Vereinten Nationen, er ist eine
unabhängige Organisation, mit dem Schwerpunkt auf der Verfolgung von
Völkerrechtsverbrechen (vermutlich ab 2017 soll auch das Verbrechen der
Aggression, unter anderem also die bewaffnete Gewalt gegen die Souveränität
eines anderen Staates, verfolgt werden).5
Grundlage bildet das Rom-Statut
oder Römische Statut, ein völkerrechtlicher Vertrag, den bisher 122 Staaten unterzeichnet
und ratifiziert haben.6
Im Gegensatz zum Internationalen
Gerichtshof der Vereinten Nationen regelt der IStGH Verfolgung und Bestrafung von Völkerrechtsverbrechen wie
Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von einzelnen Verantwortlichen.
Einzelne Bedingungen für den
Einsatz des IStGHs sind unter anderem:
- Staaten sind nicht in der Lage oder willens, bestimmte schwere Straftaten zu verfolgen
- Anerkennung des IStGHs entweder durch den Staat, in dessen Hoheitsgebiet das Verbrechen geschehen ist oder durch den Staat, dessen Staatsangehörigkeit der vermeintliche Täter besitzt
- Ein Vertragsstaat des IStGH, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder eine eigene Initiative des Anklägers unterbreiten dem IStGH eine völkerrechtswidrige Situation (siehe 5)
Dabei setzt sich der IStGH aber
ebenfalls nicht über die Souveränität der Staaten hinweg, ersetzt nicht
nationale Strafgerichtsbarkeit oder nationale Verfahren. Nur, wenn die genannten
Bedingungen zutreffen, kann der Gerichtshof aktiv werden.
Darüber hinaus haben nicht alle
Staaten den IStGH anerkannt, China, Irak, Israel, Katar, Libyen, Indien, Sudan, Türkei
und die USA lehnen den IStGH ab, 28
weitere Staaten haben das Rom-Statut zwar unterzeichnet, aber nicht
ratifiziert, unter anderem Russland,
Ägypten, Iran, Ukraine, Thailand.7
Momentan laufen Untersuchungen zum
Sudan (in Darfur), der Demokratischen Republik Kongo, Uganda, der
Zentralafrikanischen Republik, Kenia, Libyen, Elfenbeinküste und Mali.
Darüber hinaus laufen
Voruntersuchungen zu Afghanistan, Kolumbien, Nordkorea, Georgien, Guinea,
Honduras, Nigeria und Palästina.6
Kritik ist da natürlich laut, dass
der IStGH nur ein Verwaltungsapparat ohne Durchschlagkraft ist und wenn, eh nur
die kleinen Fische verurteilt werden und die vielen Nichtratifizierungen und
das blockierende Verhalten nicht nur von China, USA, Russland und Co ein
Vorgehen gegen weltweite Menschen- und Völkerrechtsverbrechen nahezu unmöglich
machen. Ein weiterer Kritikpunkt bleibt die Sorge vor willkürlicher politischer
Verfolgung (vorgetragen von den USA).
Völkerrecht - Ukraine und Russland
„Alle Mitglieder unterlassen in
ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit
oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den
Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“
So steht es in der Charta der
Vereinten Nationen, Artikel 2, Ziffer 4.9
Man kann und darf gerne über die
anderen Rahmenbedingungen des Konflikts der Krim diskutieren. Über die vorangeschrittene
EU-Osterweiterung, über die Legitimation der aktuellen (Übergangs-)Regierung
der Ukraine und des vorherigen Putsches, über die historischen Gegebenheiten
der ehemals und nun wieder russischen Krim, über die Rechtsmäßigkeit solch eines
Referendums für die Abspaltung eines Gebietes von einem souveränen Staat.
Russland rechtfertigt den Einsatz
russischer Streitkräfte auf der Krim unter anderem mit dem Schutz der
russischen Bevölkerung dort.
Die UN-Charta sieht
allerhöchstens eine Gewaltanwendung bei der Selbstverteidigung eines Staates
vor (Artikel 51) und auch da bleiben Form und Ausmaß umstritten.11
Weitere Ausnahmefälle, wie
humanitäre Interventionen oder die Rettung eigener Staatsbürger sind ebenfalls
strittig und bewegen sich völkerrechtlich in einer Grauzone.
Diese Fälle liegen aber auf der
Krim zu Beginn des Einmarsches russischer Truppen auch bei einer breiten
Auslegung nicht wirklich vor. Wie man es dreht und wendet, erst einmal besitzt
die gesamte Ukraine das Recht auf territoriale
Unversehrtheit.
Das ist mit der Abspaltung der
Krim nun nicht mehr gegeben.
Und egal, wie man diese
Abspaltung rechtfertigen mag und wie sehr sich die dortige Mehrheit der Bevölkerung
die Zugehörigkeit zu Russland wünschte, zunächst gelten die Grenzen, auf welche
sich Russland und die Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion und der
Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages geeinigt haben.12
Deshalb ist meiner Meinung nach Russlands
Aktion an der Krim ein Bruch des Völkerrechtes, den Russland aber für sich rechtfertigt.
Warum international wenige Handlungsmöglichkeiten bestehen
Wie oben beschrieben müssten
sowohl Russland, als auch die Ukraine zustimmen, dass der Internationale
Gerichtshof der Vereinten Nationen die Verhandlungen der Streitigkeiten koordiniert.
Die Entsendung von UN-Beobachtern ist ein guter Anfang, als neutrale Vermittler
sind die Vereinten Nationen geeignet, aber trotzdem auf den guten Willen Russlands und der Ukraine angewiesen.
Der Internationale
Strafgerichtshof kommt hier nicht zum Einsatz, schließlich müsste eine schwere
Straftat wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die
Menschlichkeit vorliegen. Interessant wird es ab 2017, sollte das Verbrechen
der Aggression gegen Staaten mit in den Katalog des IStGHs aufgenommen werden.
Selbst wenn das zutreffen würde:
sowohl die Ukraine, als auch Russland erkennen den IStGH nicht an. Da kämen wir
also auch nicht konstruktiv weiter.
Gerade weil sich der Rest der Welt in Sachen Völkerrecht auch nicht gerade mit Ruhm beckleckert hat, bedarf es einer wohl überlegten Strategie
zur Beruhigung der Lage. Übrig bleiben in diesem Fall momentan
die gute alte Diplomatie und Geduld.
Was bringt das Völkerrecht?
Wie sollen also Rechte geschützt
und Straftäter verurteilt werden, wenn weder der jeweilige völkerrechtliche
Vertrag noch der Internationale Strafgerichtshof von betroffenen und/oder
beteiligten Staaten anerkannt werden? Oder wenn diese Rechte und Verträge mit
eigenen Rechtfertigungen übergangen werden?
Das wichtigste Mittel der
internationalen Gemeinschaft bleibt der Dialog und die Diplomatie. Auf nichts
anderem beruht das Völkerrecht.
Die meisten Staaten haben sich
auf ein friedliches Zusammenleben und eine Zukunft ohne Krieg und Gewalt
einigen können. Das ist ein Riesenschritt auf dem Weg in eine friedlichere
Welt.
Völkerrechtliche Erfolge
Immanuel Kant träumte in seinem
philosophischen Entwurf „Zum ewigen Frieden“ von dem „Völkerrecht, begründet
auf einem Föderalismus freier Staaten“ (Kant S. 1613).
Sogar eine Weltrepublik konnte er
sich vorstellen, prophezeite aber eher einen völkerrechtlichen Bund, der Kriege
abwehrt und „feindselige und rechtsscheue Neigungen zurückdrängt“, mit der
Gefahr, dass Kriege dann trotzdem immer wieder auftreten können (ebd. 20).
Grob gesagt legt das Völkerrecht,
so wie es momentan existiert, den Vertrags-Staaten immer größere Hürden auf, Menschenrechtsverletzungen
begehen zu können und fördert wirtschaftliche und soziale Entwicklungen. Der
springende Punkt ist das „Mitmachen“.
Je mehr sich unsere Welt
miteinander verstrickt und verknüpft, je mehr bilaterale und multilaterale
Abkommen existieren, desto größer ist die Chance, dass jeder Mensch zu seinem
Recht kommt und in Frieden und Freiheit leben kann. Klar ist das Zukunftsmusik und Idealismus, klar kann das alles missbraucht werden.
Wir müssen aufmerksam bleiben und unsere Handlungen ständig überprüfen, ständig Menschenrechte und Gleichberechtigung für jeden Menschen einforden.
Auf wirtschaftlicher Ebene
funktionieren viele völkerrechtliche Verträge und Abkommen bereits seit
Jahrzehnten. Der nächste Schritt ist die konsequente Einhaltung der Menschenrechte
unter der gemeinsamen Übereinkunft der souveränen Vertrags-Staaten. Es bedeutet
zum Beispiel schon sehr viel, dass 34 afrikanische Staaten den IStGH anerkennen
und dass dort die ersten Verhandlungen erfolgreich durchgeführt werden (zuletzt
14 Jahre Haft für Milizenführer Thomas Lubanga Dyilo aus der Demokratischen
Republik Kongo 14).
Unsere gesamte Weltordnung
besteht letztendlich erst einmal nur auf dem Papier. Unsere Grenzen sind zum
Teil mit dem Lineal gezogen, unsere politischen Systeme haben sich innerhalb der
letzten 2000 Jahre verändert, verfestigt, aufgelöst und wieder neu definiert.
Aber wir haben mittlerweile zum
größten Teil verstanden, dass die meisten von uns in Frieden leben wollen. Das Völkerrecht ist unsere Richtlinie für
diese mögliche, friedliche Welt. Es ist bei weitem noch nicht fertig und perfekt und es gibt noch viel zu tun, aber es ist ein Anfang.
Dabei finde ich es im Gegensatz
zu Herrn Kant gut, dass die Staaten souverän bleiben und sich nicht irgendeiner
ominösen Weltrepublik unterwerfen. Wir können uns auf gleicher Augenhöhe
begegnen und Verträge schließen, an die wir uns halten wollen.
Halten wir uns also auch daran,
lassen wir das Völkerrecht nicht als Papierstapel im Schrank verrotten!
Linkliste
1http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/18430/voelkerrecht
2http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/entwicklungspolitik/oft-gestellte-fragen/was-ist-der-unterschied-zwischen-unterzeichnung-und-ratifizierung.html
3http://www.unis.unvienna.org/pdf/Treaty_2008_fact_sheet_5_de.pdf
4http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/PUBLIKATIONEN/Basis_Informationen/BI38-final.pdf
5http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/InternatRecht/IStGH/Hintergrund_node.html
6http://www.icc-cpi.int/en_menus/icc/about%20the%20court/frequently%20asked%20questions/pages/faq.aspx
7http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52814/internationale-gerichtsbarkeit
8http://www.amnesty.de/umleitung/2003/deu05/097?print=1
9http://www.unric.org/de/charta
10http://www.bpb.de/apuz/28036/gewalt-und-gewaltverbot-im-modernen-voelkerrecht?p=all
11http://www.un.org/depts/german/un_charta/charta.pdf
12http://www.rferl.org/content/ukraine-explainer-budapest-memorandum/25280502.html
13Immanuel Kant - Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. hrsg. von Rudolf Malter, Reclam, Stuttgart 2008
14http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-07/lubanga-kongo-urteil
1http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/18430/voelkerrecht
2http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/entwicklungspolitik/oft-gestellte-fragen/was-ist-der-unterschied-zwischen-unterzeichnung-und-ratifizierung.html
3http://www.unis.unvienna.org/pdf/Treaty_2008_fact_sheet_5_de.pdf
4http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/PUBLIKATIONEN/Basis_Informationen/BI38-final.pdf
5http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/InternatRecht/IStGH/Hintergrund_node.html
6http://www.icc-cpi.int/en_menus/icc/about%20the%20court/frequently%20asked%20questions/pages/faq.aspx
7http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52814/internationale-gerichtsbarkeit
8http://www.amnesty.de/umleitung/2003/deu05/097?print=1
9http://www.unric.org/de/charta
10http://www.bpb.de/apuz/28036/gewalt-und-gewaltverbot-im-modernen-voelkerrecht?p=all
11http://www.un.org/depts/german/un_charta/charta.pdf
12http://www.rferl.org/content/ukraine-explainer-budapest-memorandum/25280502.html
13Immanuel Kant - Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. hrsg. von Rudolf Malter, Reclam, Stuttgart 2008
14http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-07/lubanga-kongo-urteil
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