Donnerstag, 13. März 2014

Was ist los in der Zentralafrikanischen Republik?



Was ist los in der Zentralafrikanischen Republik?

Während die Aufmerksamkeit der westlichen Medien momentan auf dem Konflikt in der Ukraine liegt, habe ich mich entschieden, heute den Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik ein wenig zu erklären. Denn der ist mindestens genauso akut, wenn auch weiter weg.

Übersicht

Wie der Name bereits sagt, liegt die Zentralafrikanische Republik im Herzen des Afrikanischen Kontinents, angrenzend an Kamerun, Kongo, DR Kongo, Südsudan, Sudan und Tschad.

Die Bevölkerung beträgt rund 4,5 Millionen Menschen auf einer Fläche von über 600.000 km2, also ungefähr zwei Mal Deutschland. Der Ethnologue listet 72 unterschiedliche Sprachen auf, nur Französisch ist offiziell. Das Land war also bis zur Unabhängigkeit 1960 unter französischer Kolonialherrschaft. Rund 25 Prozent der Bevölkerung sind katholisch, weitere 25 Prozent protestantisch und rund 15 Prozent muslimisch.1 2 3
Seit der Unabhängigkeit ist es dem Staat bisher nicht gelungen, das Gewaltmonopol über das gesamte Land für sich zu beanspruchen und zu kontrollieren. Darüber hinaus liegt die Zentralafrikanische Republik zwischen weiteren von Konflikten und Bürgerkrieg bedrohten und/oder zerrütteteten Konfliktherden wie dem Kongo, Sudan, Südsudan und Tschad. Die Auswirkungen sind bis heute auch in der Republik zu spüren.

Ein Alleinherrscher nach dem anderen

Eine Reihe autoritärer Regimes kommen ab 1960 nacheinander an die Macht. Dabei hilft die ehemalige Kolonialmacht Frankreich kräftig dort mit, wo es passt. Während der Kolonialzeit wurde der Süden um die Hauptstadt Bangui bevorzugt, so auch Eliten gefördert, die nützlich erschienen. Zum Beispiel wird der erste Präsident David Dacko nach 5 Jahren Einparteienherrschaft 1966 vom Militär unter Armeechef Jean-Bedel Bokassa geputscht. Nach einer unglaublichen Schreckensherrschaft bis 1979 verhilft Frankreich David Dacko zurück an die Macht (Bokassa krönte sich selbst zuvor zum Kaiser, Frankreich schaute dabei zu, unterhielt weiterhin Kontakt, Waffenlieferungen inklusive).4 5
1981 übergibt Dacko die Regierungsgeschäfte wieder dem Militär unter André Kolingba. Es folgen 12 Jahre Militärherrschaft bis zu den Wahlen 1992 (1993 gab es dann erst eine neue Regierung).
Im Laufe der Jahrzehnte gibt es immer wieder Konflikte mit der Armee und später mit bewaffneten Gruppierungen. Trotz Mehrparteiensystem ab 1991 findet das Land einfach keine Ruhe. Die Infrastruktur leidet, die Bevölkerung leidet. Wie will man auch Strukturen schaffen, Schulen, Krankenhäuser, Straßen bauen, für die nötigste Versorgung sorgen, wenn die gewalttätigen Konflikte den Alltag beherrschen?6

Warum so viel Konfliktpotential?
Neben dem Militär schafft zum Beispiel der gewählte Präsident von 1993 Ange-Felix Patassé (der übrigens unter der Schreckensherrschaft von Bokassa bis 1976 Premierminister war, sich aber von ihm abwendete) eine eigene Leibgarde mit ihm nahestehenden Ethnien, schürt so weiter Konflikte, die zwar nicht allein auf ethnische Differenzen zurückzuführen sind, was aber dennoch zur Verschärfung der Lage und Benachteiligung anderer, wie zum Beispiel dem eigentlichen Militär führt.
Von Anfang an kontrolliert keine Regierung, keine Staatsmacht das gesamte Land. Dreh- und Angelpunkt der Regierungen blieb und bleibt die Hauptstadt Bangui, darüber hinaus passiert nicht viel. So zieht sich der Armeechef François Bozizé nach Putsch-Beschuldigungen seitens Patassé und seiner Quasi-Entlassung als Armeechef 2001 in den Tschad zurück, formiert dort mit abtrünnigen Militärs und tschadischen Kämpfern seinen Widerstand.7
Schließlich übernimmt François Bozizé 2003 Bangui mit Hilfe des Militärs, in späteren Wahlen „legitimiert“ er seine Machtübernahme. Bozizé war sowohl unter Bokassa Brigadegeneral, als auch Verteidigungsminister unter Dacko und Kommunikationsminister unter Kolingba.
2005 folgt ein Kriegsfeldzug der Präsidialgarde und der Armee gegen den von Rebellen (unter anderem die APRD = Armée Populaire pour la restauration de la démocratie) kontrollierten Nordwesten des Landes, bei denen massiv Menschenrechtsverletzungen verübt werden. Und nicht die Rebellen, sondern die dort ansässige Bevölkerung wird ermordet und vertrieben.
Im Nordosten formiert sich ab 2006 ebenfalls Widerstand gegen Bozizés Regime, stärkste Kraft ist die UFDR (Union des Forces Démocratiques pour le Rassemblement). Der Nordosten des Landes ist schwer zugänglich, kaum kontrolliert und fast abgeschnitten vom Rest des Landes. Die Nähe zur krisengeplagten Darfur-Region unterstützt die instabile Lage.8
Amnesty International erklärt im jährlichen Bericht 2013, dass sowohl die UFDR, als auch die APRD 2012 vollständig entwaffnet und aufgelöst worden seien.9
Aber dem Land ist weiterhin kein Frieden gegönnt.
2013 wird Präsident Bozizé gestürzt, durch die Rebellengruppe namens „Séléka“. Militärchef Michel Djotodia hatte mit Séléka kollaboriert, übernimmt die Staatskontrolle, distanziert sich danach aber von Séléka, die in kleinere Splittergruppen und Milizen zerfällt. Unter dem innenpolitischen und außenpolitischen Druck tritt Djotodia 2014 zurück, eine Übergangsregierung unter Catherine Samba-Panza (ehemalige Bürgermeisterin von Bangui) soll es richten. Bewaffnete Milizen terrorisieren das Land. Der Staat steht vor dem Kollaps.10

Fassen wir also kurz zusammen. Die Zentralafrikanische Republik hat in den letzten über 50 Jahren ihres Bestehens kaum eine Phase der Erholung gehabt. Kaum eine Regierung, die nicht ihre eigenen Interessen vor das Gemeinwohl stellte, kaum eine Region ohne militärisches Eingreifen, seitens der Regierung oder anderer Staaten und Rebellengruppen. Darüber hinaus wird der Norden des Landes komplett missachtet, quasi sich selbst überlassen. Das liefert wohl genügend Stoff für zahlreiche, lang anhaltende Konflikte. Leider.11

Wer sind die Séléka?
Human Rights Watch erklärt Séléka als eine Allianz dreier Rebellengruppen aus dem Norden und Osten, die sich 2012 zusammenschließen und vom Norden ausgehend Regionen und Städte einnehmen, bis sie 2013 schließlich in der Hauptstadt Bangui landen. Zwischenzeitlich wird ein Waffenstillstand mit der Regierung unter Bozizé vereinbart, der aber gebrochen wird. Die Armee der Séléka soll auch aus Kämpfern aus dem benachbarten Sudan und Tschad bestehen, so wie von Bozizé enttäuschten Anhängern.12

Welche Rolle spielen die Religionen?
Da ein großer Teil der Bevölkerung und der bisherigen Regierungschefs (außer Michel Djotodia) dem Christentum angehört und eine Art Nord-Süd-Aufteilung (Süden = christlich, Norden = muslimisch) vorhanden ist, kann man sich schnell auf einen religiös motivierten Konflikt einschießen.
Aber das ist zu einfach gedacht. Die Probleme liegen vielmehr in der schwachen Staatsstruktur, der Korruption und der Ausgrenzung bestimmter Regionen, vor allem der ländlichen Gebiete und des Nordens. Da die Regierung im Norden für keinerlei Struktur sorgt, wird diese sich in den Nachbarländern Tschad und Südsudan, die mehrheitlich muslimisch sind, „besorgt“. Wenn keine Schule im eigenen Land in der Nähe existiert, schickt man die Kinder eben auf die Koranschule ins Nachbarland.
Andererseits gibt es Berichte von selbsternannten Milizen, die Jagd auf Muslime machen, denn die christliche Mehrheit vor allem in Bangui, der Hauptstadt, fühlt sich durch die ständigen Attacken bedroht. Die muslimisch geprägte Rebellengruppe Séléka wiederum hat ebenfalls Gewalttaten an der christlichen Bevölkerung ausgeübt.
Daraus ergibt sich eine Spirale der Gewalt. Denn nicht alle Muslime sind Anhänger der Séléka-Rebellen, nicht alle Christen sind in bewaffneten Gruppen organisiert. Und die Gruppen selbst sind heterogen, keine einheitlichen Krieger.
So wird die Religion wieder instrumentalisiert, am besten für den eigenen Machterhalt genutzt, schließlich kann man mit Hilfe von christlich oder muslimisch geprägten Parolen viele Kämpfer mit ins Boot holen.13 14
Im Laufe der Jahrzehnte konnte sich die Bevölkerung nie sicher sein, ob das Militär auf der eigenen Seite steht oder ob die Leibgarde der Präsidenten nicht doch andere Ideen hat und umgekehrt. Und die immer wiederkehrenden Rebellengruppen machen das Leben nicht gerade einfacher. Die Menschen fühlen sich nicht sicher. Das ist einer der Gründe für selbst organisierte, christliche Milizengruppen (unter anderem Anti-Balaka).15
Darüber hinaus sind sowohl Teile des Tschadischen Militärs, als auch aus Südafrika am Konflikt beteiligt gewesen, um den Ex-Präsidenten Bozizé zu unterstützen. Auch die Lord’s Resistance Army (LRA) aus Uganda unter Joseph Kony kam in der Republik zum Einsatz. Irgendwann hatten auch Libysche Kräfte unter Gaddafi ihre Hände im Spiel, (siehe Friedrich Ebert Stiftung Analyse).
Die Situation und Anzahl der bewaffneten Milizen und Gruppen ist also nicht leicht zu durchschauen und erst recht nicht leicht zu lösen oder aufzulösen.
Und wer ganz viel Lust auf schlechte Laune hat, kann gerne mal recherchieren, woher die vielen Waffen denn überhaupt kommen und stammen...

Blauhelme nach Zentralafrika?
Frankreich ist seit Beginn der Kolonialzeit militärisch involviert. Ich spreche jetzt gar nicht mal von den zahlreichen wirtschaftlichen Verknüpfungen, denn im Land gibt es wunderbare Rohstoffe wie Uran, Gold, Diamanten.
Und gerade Frankreich erweckt nicht die beste Hoffnung in der zentralafrikanischen Bevölkerung, schließlich intervenierte das Land in der Vergangenheit regelmäßig in die Regierungsgeschäfte des Ex-Kolonial-Gebietes, unterstützte oft beide Seiten der jeweiligen Machtverhältnisse, was nicht zur Verbesserung der Lage führte.
Aber die gesamte Region mit dem Tschad, Sudan, der Demokratischen Republik Kongo, ist politisch so instabil, dass Hilfe absolut nötig ist, damit Gewalt nicht das einzige Instrument der Herrschaftslegitimation bleibt.
Annette Weber von der Stiftung für Wirtschaft und Politik referiert ebenfalls darüber, dass man die Zentralafrikanische Republik als gescheiterten Staat sehen kann und deshalb eine langfristige Stabilisierungs- und Aufbauarbeit notwendig ist.16

Die Zentralafrikanische Republik ist leider ein absolut trauriges Beispiel für Staatsmissbrauch, Staatszerfall, korrupte Machteliten, korruptes Militär, viel zu viele bewaffnete, gewaltbereite Milizengruppen, religiöse Instrumentalisierung und ein großer, Gewalt schürender Einfluss von Kräften außerhalb und innerhalb des Landes.
Das wird unglaublich viel Zeit, Geld und Kraft brauchen, um das Land in eine stabile Lage zu bringen. Aber wegschauen geht einfach nicht mehr.


Linkliste

1http://www.ethnologue.com/country/CF
2http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/ZentralafrikanischeRepublik_node.html
3http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/fischer-weltalmanach/65837/zentralafrikanische-republik?p=all
4http://library.fes.de/pdf-files/iez/05376.pdf
5http://www.n-tv.de/politik/Die-zentralafrikanische-Tragoedie-article12124606.html
6http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-13150044
7http://www.bpb.de/izpb/7990/zentralafrika-schwache-staatlichkeit-und-grenzueberschreitende-kriege?p=all
8http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/car0907webwcover_0.pdf
9http://www.amnesty.org/en/region/central-african-republic/report-2013
10http://www.dw.de/vom-rathaus-in-den-pr%C3%A4sidentenpalast/a-17374954
11http://www.bti-project.de/reports/laenderberichte/wca/caf
12http://www.hrw.org/world-report/2014/country-chapters/central-african-republic
13http://www.dw.de/car-conflict-about-power-religion/a-17315017
14http://www.dw.de/car-conflict-about-power-religion/a-17315017
15http://www.dw.de/opfer-und-killer-zentralafrikas-anti-balaka-miliz/a-17485802
16http://www.swp-berlin.org/de/publikationen/kurz-gesagt/zentralafrikanische-republik-probleme-langfristig-angehen.html

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