Donnerstag, 6. März 2014

Wasser - warum für Klos verschwenden?



Wasser - warum für Klos verschwenden?



Weltweit wird das Wasservorkommen auf unserer Erde auf 1,386 Milliarden Kubikkilometer geschätzt. Davon bestehen 35 Millionen Kubikkilometer aus Süßwasser.1 Das sind ungefähr 2,5 Prozent des gesamten Wasservorkommens.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte in ihrem Bericht von 2012, dass 768 Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu verbesserten Wasserquellen haben, 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu verbesserten Sanitäranlagen. Fast eine Milliarde Menschen erledigen ihre Notdurft immer noch unter freiem Himmel.2
Verbesserte Wasserquellen sind zum Beispiel verrohrte Wasserleitungen auf dem eigenen Grundstück im Gegensatz zu Brunnen und Oberflächenwasser.
Verbesserte Sanitäranlagen bestehen zum Beispiel aus verrohrten Abflusssystemen und Latrinen mit Spülung im Gegensatz zu Eimern oder der öffentlichen Erleichterung.3

Dass Wasser Leben bedeutet, kann mir heutzutage jeder Grundschüler erklären. Dass nicht überall trinkbares Wasser aus dem Hahn, der Dusche (und in Deutschland auch aus dem Klo), kommt, ist ebenfalls ein bekannter Fakt.
Wir haben in Deutschland ein 400.000 Kilometer langes Wasserleitungssystem, das mehr oder weniger sehr gut funktioniert. (Für mehr Details: Dr. Antje Möller-Schubert4) Dadurch, dass wir nur ein Leitungssystem haben, fließt natürlich überall das Trinkwasser hin, so auch die Toilette wieder herunter.

In anderen Ländern der Erde gibt es diesen Luxus, im Prinzip eine Verschwendung, nicht. Wer schon einmal Urlaub außerhalb Deutschlands gemacht hat, der weiß, wie unterschiedlich und - für uns verwöhnte Deutsche - gewöhnungsbedürftig zum Teil der Gang zum Klo ist. (Klopapier in Eimer werfen in Griechenland, wegen der engen Leitungen, Stehklos in Tansania, die danach ausgehoben werden, Plumpsklos in Rumänien... das sind jetzt nur einige meiner eigenen Erfahrungen, es gibt eben nicht überall das Spülklosett, das bis zu 40 Liter pro Spülung herunterspült.)

Es ist also absolut nicht selbstverständlich, dass wir unser Wasser so weit reichend nutzen können, dass wir damit kochen, uns waschen, Wäsche waschen, den Garten bewässern und die Toilette benutzen. (Auf die ökologische Problematik der landwirtschaftlichen und industriellen Nutzung von Wasser komme ich vielleicht ein anderes Mal; der UNESCO Water Report 2012 berichtet davon, dass 70 Prozent der weltweiten Wasserentnahme für Landwirtschaft, Industrie und Stadtversorgung/-entsorgung draufgehen 5)
Andere Menschen haben 1,5 Liter am Tag für all dies, wofür wir im Schnitt 140 Liter am Tag verbrauchen.
Ich will heute ein paar Projekte vorstellen, die sich für die weltweite Verbesserung vom Zugang zu sauberem Wasser und Sanitäranlagen einsetzen.

Gegründet 2005 von St. Pauli-Fußballspieler Benjamin Adrion nach einem Training auf Kuba. Zusammen mit der Welthungerhilfe stemmt der Verein seit neun Jahren unterschiedliche Projekte, Aktionen, Spendenläufe, um weltweit Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituationen zu finanzieren.6
Dabei geben die Verantwortlichen die Höhe der Bau- und Durchführungskosten an, nennen konkrete Zeitpläne und das Verbreitungsgebiet der Projekte.
In ihrem Jahresabschlussbericht 2012 spricht der Verein von 770.000 Euro Projektspenden, 700.700 Euro davon gingen an Projekte der Welthungerhilfe.7
Mitmachen kann man zum Beispiel durch Spenden, Besuch von Fundraising-Konzerten, Läufen, Kunstausstellungen oder den Kauf der eigenen Wasser-Linie Viva con Agua Quellwasser.

2. WASH
WASH steht für Water, Sanitation und Hygiene. Dieses weltweite Netzwerk, unter den Vereinten Nationen, startete bereits in den 90ern und engagiert sich ebenfalls für die weltweite Verbesserung sanitärer Anlagen.8 In Deutschland startete der deutsche Ableger 2011.
WASH-Deutschland kooperiert unter anderem mit Viva con Agua, Ingenieure ohne Grenzen, der German Toilet Organization, den Maltesern und vielen mehr.9 Ziel ist, neben der Spendengeld-Sammlung, ein Netzwerk an Wissen, Aktionen und Experten zu vernetzen, um nachhaltige Verbesserungen schaffen zu können.
Ingenieure ohne Grenzen gibt es zum Beispiel bereits seit 2003. Der Verein setzt sich für die Versorgung der infrastrukturellen Grundbedürfnisse ein, so auch für Sanitäranlagen, ist mittlerweile weltweit vernetzt und Träger zahlreicher Preise.  
Ein Beispiel-Projekt ist die Einführung von Trenntoiletten in einer Schule in Ebendi, Kamerun. Die Schule liegt infrastrukturell ungünstig in bergiger Region, fließendes Wasser gibt es nicht, eine Quelle ist zwei Kilometer entfernt. Vor Ort gibt es nur eine Latrine für 150 Schüler und Lehrer.
Die Trenntoilette trennt, wie der Name bereits sagt, die Ausscheidungen und speichert sie separat. Urin und Fäkalien können nach der Lagerung als Dünger und Kompost genutzt werden. Das Ganze funktioniert ohne Wasser, ist also auch noch Ressourcen schonend. Anfang 2014 wurde die Bauphase eingeleitet, direkt spenden kann man hier.
Übrigens ist am 19. November Welttoilettentag, von der Welttoilettenorganisation 2013 ins Leben gerufen, um auf die sanitären Bedingungen weltweit aufmerksam zu machen.10

Es gibt noch viele weitere Ideen, sanitäre Anlagen ohne Wasser zu entwickeln und einzusetzen.
An der Technischen Universität Hamburg, TUHH, forschen Wissenschaftler am Institut für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz zum Thema „Trockene Toiletten“, Projektname ist „Terra Preta Sanitation“. Terra Preta ist angelehnt an eine schwarze Erde früherer Amazonas-Kulturen, bestehend aus organischem Abfall; eine Mischung aus Fäkalien, Holzkohle, Knochen, Bioabfall. Heraus kam fruchtbarer, nachhaltiger Humusboden.11
Die Studien zeigen eine Verbindung von Milchsäuregärung mit Hilfe von Bakterien (lactic acid fermentation) in der Toilette mit einer späteren Wurmkompostierung außerhalb.
Klingt erstmal nicht so appetitlich, aber die Forschung erzielte bisher erstaunliche Ergebnisse.
Erste Versuche wurden mit Camping-Toiletten durchgeführt (tragbare Toiletten mit Sammelbecken). Vor der Benutzung werden Milchsäure-Bakterien zugegeben, die nach der Benutzung die Fäkalien verwerten, ohne Gaserzeugung oder Gestank, und gleichzeitig die Toilette desinfizieren. Danach kann mit Hilfe der Wurmkompostierung fruchtbarer Boden geschaffen werden. Für Länder ohne Zugang zu fließendem Wasser und Abwassersystemen klingt das nach durchführbarer Zukunftsmusik.
Aber die Testversuche zeigen auch, dass eine Einrichtung in mehrstöckigen Gebäuden möglich ist.

Klo vadis?
Es gibt bereits einige Studien, Meldungen, Berichte darüber, dass besonders Großstädte Probleme mit der Abwasserentsorgung und der Kanalisation haben. Dadurch, dass wir zum Beispiel durch bessere Geräte und Spülstopps Wasser sparen, gelangt weniger Wasser in die Kanalisation. Die Hamburger Kanalisation zum Beispiel war als Schwemmkanalisation angelegt, benötigt viel Wasser, um „durchzuspülen“. Probleme gibt es bereits jetzt schon, auch wenn die Hamburger Wasserwerke auf ein dreiteiliges Aufbereitungssystem setzen. Das System trennt Schwarzwasser (aus der Toilette) von Grauwasser (Haushaltswasser ohne Toilette) und Regenwasser zur Wiederaufbereitung.12
3sat Beitrag zum Thema Kanalisation: 3sat-Beitrag

Vielleicht wird es Zeit, unsere Systeme in Frage zu stellen, zu überarbeiten und wirklich nachhaltige Strukturen zu schaffen.
Was in anderen Ländern aufgrund von Wassermangel und dem Zugang zu Wasser Realität werden muss, kann für unsere Breitengrade ja auch eine Chance sein. 
Warum nicht mal etwas ändern, bevor wir keine andere Lösung mehr haben?

Natürlich heißt das nicht, dass man sofort alle Kanalisationssysteme abreißen soll. Aber warum nicht ausnahmsweise weiter in die Zukunft schauen und überhaupt Alternativen zur Wassertoilette möglich machen? Bislang müssen Neubauten an das bestehende Abwassersystem angeschlossen werden. Vielleicht können und sollten wir andere, nachhaltigere Entsorgungswege anbieten und nutzbar machen.
Unser kostbares Wasser soll - Verzeihung - schließlich kein Griff ins Klo bleiben.


Linkliste

http://www.vivaconagua.de Viva con Agua
http://www.wsscc.org/ WASH
http://www.ingenieure-ohne-grenzen.org/ Ingenieure ohne Grenzen
http://www.terra-preta-sanitation.net/cms/index.php Terra Preta Sanitation

1http://www2.worldwater.org/data20082009/ch01.pdf
2http://www.who.int/water_sanitation_health/publications/2013/jmp_report/en/
3http://unesdoc.unesco.org/images/0014/001454/145405E.pdf
4http://wasserwissen.net/phocadownload/Buecher/Wasser-Wissen-Antje-Moeller-Schubert.pdf
5http://www.unesco.org/new/en/natural-sciences/environment/water/wwap/wwdr/wwdr4-2012/
6http://de.slideshare.net/betterplacelab/benjamin-adrion-von-einer-schnapsidee-zum-social-business
7http://www.vivaconagua.org/source/files/VCA_Jahresbericht_online_Doppelseiten.pdf
8http://www.unicef.org/wash/index_emergency.html
9http://www.washnet.de/wash-netzwerk/geschichte/
10http://worldtoilet.org/who-we-are/our-story/
11https://www.tuhh.de/t3resources/aww/publikationen/pdf/DT2012AsratYemaneh.pdf
12http://www.hamburgwatercycle.de/index.php/grauwasser.html

3 Kommentare:

  1. In meine Spuelkaesten habe ich immer Raumfueller getan (Plastebierflaschen voll mit Wasser, zugeschraubt), so, dass weniger Wasser in den Kasten passt, bis der Schwimmer dann den Zufluss stoppt.
    Leider habe ich in meiner neuen Wohnung keinen Zugang mehr zum Kasten, um das wieder zu tun.
    Andererseits, du bist im Artikel bereits auf unsere Schwemm-Kanalisation eingegangen, wo es fuer die Wasserwerke tatsaechlich zum Problem wird, wenn die Menschen zu wenig Wasser benutzen. Da muessen die Wasserwerke dann selber nachspuelen.
    Auch ein Problem mit zu geringem (Heiss-)Wasserverbrauch gabs in Eimsbuettel, wo in einigen Wohnungen ueberhoehte Legionellenbelastungen gemessen wurden, was auf zu geringen Heisswasserdurchfluss beguenstigt wird.
    Dazu gilt aber auch, dass Hamburg als Stadt mit relativ hohem Niederschlag und als Stadt am Wasser eigentlich keinen Frischwassermangel hat.
    Hier spart man durch Wassersparen eigentlich nur Geld.
    Viel wichtiger als nciht jeden Tag ein Vollbad zu nehmen in Hamburg (Wo wir kein Frischwasserproblem haben), ist der Verbrauch dort, wo es nicht genuegend Frischwasser gibt. Stichwort: Virtuelles Wasser.
    Ein Steak kostet viel Trinkwasser fuer die Kuh, und eine Tasse Kaffee kostet viel Bewaesserung fuer Kaffeepflanzen in warmen (wasserarmen?) Regionen der Erde. Hiermit kann ich als Hamburger deutlich mehr (virtuelles) Wasser verbrauchen, das pro gleichem Volumen auch viel mehr wert ist, als echtes Wasser hier zu Hause.
    Das ist wichtig: Wasser ist nicht ueberall gleich viel Wert: Wir koennen unseren Ueberschuss an tollem, frischen Wasser halt nicht in die Wasserarmen Regionen verschiffen, damit dort der Kaffee bewaessert wird.

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    1. Dazu:
      http://www.zukunftsprojekt-erde.de/uploads/pics/WJ_Infografik_Virtuelles_Wasser.jpg
      http://www.virtuelles-wasser.de/

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    2. Danke dir!
      Ja, das ist ja so spannend an der weltweiten Wassernutzung. Deshalb muss man aber nicht unnötig Wasser verschwenden. Längerfristig gehen die Rohre eh kaputt, da kann man ja schonmal an die Zukunft denken. Vielleicht gibt es ja auch andere Lösungen, wie die Nutzung von Regenwasser oder die Trennung von Frischwasser und Abwasser :).
      Der virtuelle Wasserverbrauch ist tatsächlich leider nicht besonders sichtbar. Haste Fleisch aufm Teller, haste Fleisch aufm Teller. Wäre interessant, wenn auf der Restaurantrechnung auch gleich der virtuelle Wasserverbrauch stünde ;)

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