Donnerstag, 27. Februar 2014

Waffenhandel Teil 1: Deutschlands Exporte



Waffenhandel Teil 1: Deutschlands Exporte

Kontrolle des Waffenhandels


Ich hoffe, meine Schwester, die immer sagt, ich soll nicht so viel über Waffenhandel lesen und mich dann aufregen, verzeiht mir, aber der internationale Handel mit Waffen und die Rüstungsindustrie sind zwei meiner „liebsten“ Nachforschungsobjekte. Und eines meiner größten Anliegen ist der weltweite Rückgang und – vielleicht eher durchführbar - die bessere Kontrolle von Waffenhandel.
Jeder kennt den Spruch „Nicht Waffen töten Menschen – Menschen töten Menschen“.
Zynischer geht es eigentlich kaum noch, wenn man sich anschaut, wie viele Menschen mit Waffen weltweit getötet und verletzt werden.
Wir haben eine Unmenge an Waffen erschaffen, die andere Menschen töten, verletzen, verstümmeln können. Manche sind brutal wie Minen oder Streubomben, andere, wie Maschinengewehre sind richtige Exportschlager weltweit. Alle haben ein Ziel: Das Töten von Menschen. Da kann mir niemand etwas anderes erzählen, Waffen sollen töten. Sonst hätte man ja Platzpatronen als Munition oder Betäubungsmittel.

Dabei nehmen Kleinwaffen eine ganz besondere Rolle ein. Die UN berichtet, dass die meisten Menschen, die in Konflikten getötet werden, durch Kleinwaffen ihr Leben verlieren.1
Kleinwaffen werden überall gerne eingesetzt, ob im organisierten Verbrechen oder im Privatgebrauch. Mit einer Kleinwaffe kann man Menschen schnell und meist unproblematisch kontrollieren, missbrauchen, töten.
Kleinwaffenbeispiele sind zum Beispiel Maschinengewehre, Pistolen, Gewehre und sogar Raketenwerfer. Kann man schließlich alles mit einer oder zwei Händen transportieren und benutzen (über die genaue Definition streiten sich Experten bis heute).2

Das Abkommen „Arms Trade Treaty“ (ATT) wurde am 2. April 2013 von der UN-Generalversammlung verabschiedet. 116 Staaten haben das Abkommen unterzeichnet, das eine bessere Kontrolle von konventionellen Rüstungsgütern weltweit ermöglichen soll.3
Konventionelle Waffen, das sind im Prinzip alle von Kleinwaffen bis zu Panzern, Kampfschiffen, bewaffneten Flugkörpern, Raketen und so weiter.

Das Abkommen ist eigentlich ein Riesenschritt für die weltweite Kontrolle. Dickes, fettes aber: Wie so immer bei vielen UN-Abkommen gelten diese als Selbstverpflichtung der jeweiligen Staaten. Jeder Staat soll nationale Überwachungsinstanzen einsetzen oder verstärken, um den Waffenhandel besser kontrollieren zu können.
Ein besonders hervorgehobener Teil des Abkommens ist, dass die Waffen nicht in Länder verkauft werden sollen, in denen sie Frieden und Sicherheit gefährden, gegen internationales humanitäres Recht verstoßen, Terrorismus oder das organisierte Verbrechen unterstützen würden.4

Nun stellt sich mir und anderen Abrüstungsfreunden die Frage, wann eine Riesenmenge an Waffen für alle und jeden denn jemals nicht die Sicherheit gefährdet, aber das ist eine andere, eine Grundsatzfrage…

Rüstungskontrolle in Deutschland – Gesetzeslage

Deutschland hat eines der schärfsten Waffengesetze weltweit. Andererseits sind wir seit Jahrzehnten drittgrößter Rüstungsexporteur.
SIPRI (Stockholm International Peace Institute) schreibt in seinem Waffenhandelsbericht von 2013, dass Deutschland mit 7 Prozent zum weltweiten Rüstungsexport beiträgt, nach Russland mit 26 und den USA mit 30 Prozent.5

Die größten Importeure waren Indien mit 12 Prozent, China mit sechs Prozent und Pakistan und Südkorea mit je fünf Prozent am Weltmarktanteil.

(Zynismus an) Indien, China und Pakistan sind ja bekannt für die konsequente Einhaltung der Menschenrechte…(Zynismus aus)

Das Kriegswaffenkontrollgesetz KrWaffKontrG Deutschlands besagt, dass die Bundesregierung, nämlich der Bundessicherheitsrat, den gesamten Umgang mit Kriegswaffen in Deutschland genehmigen muss, also „Herstellung, Erwerb, Überlassung der tatsächlichen Gewalt, jede Art der Beförderung sowie Vermittlungsgeschäfte“.6

Der Umgang mit sonstigen Rüstungsgütern handelt das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV).
Dabei gibt es eine lange Liste von Ausnahmen von Rüstungsmaterial, das in bestimmte Länder wie zum Beispiel in die Elfenbeinküste, Birma oder Weißrussland nicht ausgeliefert werden darf.7
Genehmigungen erteilt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle unter dem Bundeswirtschaftsministerium.
Lieferverträge für Waffen und Rüstung in Drittländer (also im Falle Deutschlands Länder außerhalb der NATO, der EU oder der EWG) sollen die Vernichtung von alten Waffen beinhalten, bei Lieferung neuer Waffen oder wenn alte Waffen nicht mehr verwendet werden.
Erst kürzlich wurde über die G36 Gewehre von Heckler und Koch aus Deutschland berichtet, die im Drogenkrieg in Mexiko in den „gefährdeten“ Regionen gefunden wurden, obwohl dorthin explizit nicht ausgeliefert werden sollte.
Ich empfehle die Dokumentation „Waffen für die Welt“ von Daniel Harrich. Darin verfolgt das Reporterteam die deutschen Waffen rund um den Globus. Unter anderem lassen sich die Kleinwaffen in Mexiko, Kolumbien und Sudan finden. Alles super sichere Länder, die ganz gewiss gewissenhaft mit den Waffen umgehen werden.
Der Film ist in der ARD Mediathek noch bis Montag den 3. März zu sehen, lief bei der ARD in der günstigen Zeit 23:45 Uhr...(Film Waffen für die Welt)
Die Lieferverträge und strikten Regeln funktionieren für Waffen anscheinend genau so gut, wie die Einhaltung der Mindeststandards von Bekleidungsfirmen-Zulieferern in Ländern wie Bangladesch oder Indien. 

Rüstungsexporte aus Deutschland in Drittländer

Deutschland hat, laut dem Statistischen Bundesamt, im Jahr 2012 Kriegswaffen im Wert von über 946 Millionen Euro aus Deutschland ausgeführt (Rüstungsexportbericht Seite 34).
Ich beziehe mich auf den Bericht von 2012, da der Bericht für 2013 noch nicht erschienen ist.
Beim Durchlesen des Rüstungsexport-Berichtes von 2012 gibt es einiges, was nicht sofort ins Auge fällt.
Rüstungsgegner und Autor Jürgen Grässlin kritisiert in seinem Buch „Schwarzbuch Waffenhandel“, dass die meist jährlichen Berichte keine Informationen über Herstellerfirmen geben und mit monatelanger Verspätung und unvollständigen Angaben erscheinen (S. 138ff).8
Ich kann jedem, der sich detaillierter mit der deutschen Waffenindustrie und den Exporten beschäftigen will, dieses Buch nur wärmstens empfehlen.
Überhaupt ist kaum durchsichtig, wann genau welche Waren geliefert wurden. Aufgelistet werden nur die Ausfuhrgenehmigungen und die Ausfuhrgenehmigungs-Ablehnungen in Form der Waffen-/Rüstungskategorien. Hallo, deutsche Bürokratie!
Deutschland behält sich vor, Ausfuhrgenehmigungen nicht zu erlauben, wenn bestimmte Kriterien nicht erfüllt sind. Besonders interessant sind dabei Kriterium 7 und Kriterium 2.

Kriterium 7: „Risiko der Abzweigung von Militärtechnologie oder Militärgütern im Käuferland oder der Wiederausfuhr von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen.“

Kriterium 2: „Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland.“

Dabei lassen sich einige Länder finden, in denen Kriterium 7 und Kriterium 2 für einige Exporte in Kraft treten und für welche Ausfuhrgenehmigungen verweigert wurden. Besonders auffällig ist dabei die Nummer A0001, die unter anderem für die Bezeichnung von Maschinengewehren, Pistolen, Revolvern, also Kleinwaffen zuständig ist.

Beispiele:

Indonesien:                 51 Genehmigungen
unter anderem Teile für Panzer, Maschinenpistolen, Kommunikationsausrüstung
Gesamt: 9.447.814 Euro

Es gibt vier endgültige Ausfuhrgenehmigungs-Ablehnungen im Wert von 242.426 Euro der Kategorie A0001 (Kleinwaffen), A0003 (Munition dafür) und A0005 (Steuer-, Radarsysteme und Co), wegen Kriterium 7 und Kriterium 2, wie oben genannt.
Nicht ersichtlich wird, wie viele und welche Waffentypen letztlich nach Indonesien gegangen sind oder welche Einschränkungen bei der Lieferung gemacht wurden, denn bei den Genehmigungen taucht die Kategorie A0001 ebenfalls auf.
Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) stellt eigene Rüstungsberichte für Deutschland zusammen, die mit öffentlich zugänglichen Daten (unter anderem von den Vereinten Nationen) erstellt werden.9
Darin listen sie Lieferungen aus Deutschland nach Indonesien für 2012 auf: 569 Maschinenpistolen und 350 Sturmgewehre. 
Die Bundesregierung bestätigte für 2013 eine Lieferung von 164 Panzern nach Indonesien.10
Die Achtung der Menschenrechte kann in dem Land also nicht überall sicher gewährleistet werden (Kriterium 2), deshalb lieber nicht „alle“ Kleinwaffen nach Indonesien verkaufen. Aber Panzer schon. Abgesehen davon, dass Indonesien Jahrzehnte lang im Konflikt mit Ost-Timor stand, dabei massive Menschenrechtsverletzungen stattfanden und ein Abzug der UN-Blauhelm-Soldaten aus Ost-Timor knapp ein Jahr her ist.
Das nennt man verantwortungsvolle Rüstungspolitik?

Saudi-Arabien:            322 Genehmigungen
unter anderem für Grenzsicherungsausrüstung, Bordwaffensteuersysteme, Software für Flugkörpersteuerung und Kommunikationsausrüstung
Gesamt: 1.237.288.814 Euro

Dabei gab es fünf Ausfuhrgenehmigungs-Ablehnungen im Wert von 1349 Euro wegen Kriterium 7 und Kriterium 2 der Kategorie A0001 (Kleinwaffen), A0003 (Munition dafür) und A00011 (Elektronische und Navi-Ausrüstung).

Weil die Menschenrechte in Saudi-Arabien zum Teil nicht gewährleistet sind, die Menschenrechtslage prekär ist, (zum Beispiel dürfen Frauen immer noch nicht Auto fahren, ohne Genehmigung eines Mannes einer bezahlten Arbeit nachgehen oder reisen; Auspeitschen ist eine legitime Bestrafung, Folter in Gefängnissen erlaubt)11 dürfen Kleinwaffen und Munition nicht oder nur eingeschränkt ausgeführt werden. Auch hier steht in der Liste der Genehmigungen die Kategorie A0001.
2012 wurden laut GKKE nicht viele Kleinwaffen von Deutschland nach Saudi-Arabien geliefert. Das war aber anscheinend auch nicht nötig, da 2011 bereits 4213 Sturmgewehre, 1233 Maschinenpistolen, 46 Gewehre und Karabiner ins Land kamen.12
Über eine Milliarde Euro wurden für andere Rüstungsgegenstände ausgegeben. Was man wohl mit einem Bordwaffensteuerungssystem so anfangen kann? Vielleicht Schiffe, Flugzeuge oder Landfahrzeuge damit ausstatten? Klingt ziemlich durchschlagend!

Warum überhaupt Rüstungsexporte in Länder gehen, in denen die Menschenrechtslage kritisch ist und in denen man nicht etwa UN-Missionen beliefert oder unterstützt, ist für viele Menschenrechtler und Rüstungsexport-Kritiker und für mich persönlich unbegreiflich.
Wen will man damit unterstützen? Saudi-Arabien führt gegen wen gerade einen Krieg oder einen bewaffneten Konflikt, der wie zu rechtfertigen ist?
Die Arabische Welt muss schließlich mit Hilfe unserer Verbündeten stabil gehalten werden?
Klappt ja super.
Ich erwähne nur mal ganz kurz, dass auch in Libyen deutsche Waffen im Einsatz waren. Und nicht nur auf der „guten“ Seite.

Was ist, wenn politische Systeme umstürzen, sich ändern, (erneut) Gewalt ausbricht? Sollte man mehr Waffen, dieses Mal an die „richtigen“ Verbündeten liefern? An diejenigen, die mit der guten deutschen Wertarbeit, mit deutschen Panzern und G36 für Frieden und Sicherheit sorgen werden? Mehr Waffen = mehr Sicherheit?
Hat denn eigentlich niemand auf dieser Welt Lust, abzurüsten?
Ich fürchte nicht.

Abrüstung schalalaschade eigentlich irgendwie wohl nicht

Ich möchte betonen, dass ich das Abkommen Arms Trade Treaty (ATT) der Vereinten Nationen gut finde, auch, wenn ich es momentan nur für ein Lippenbekenntnis halte.
Vielleicht werden irgendwann einmal die Menschenrechte eingehalten und kontrollierter Kriegswaffenhandel wird dann überflüssig.
Aber bis dahin ist es leider ein langer (unmöglicher?) Weg.
Deutschland besitzt strenge Gesetze, was Kriegswaffenherstellung und -exporte angeht. Trotzdem werden mit den Exportgütern Verbrechen begangen und Waffen in einen Umlauf gebracht, der nicht mehr zu kontrollieren ist. Trotz aller Papiere, Abkommen und Gesetze: Waffen, die in Deutschland hergestellt und aus Deutschland exportiert werden, kommen nicht immer in die „richtigen“ Hände.
Bisschen Schwund ist immer, möchte man da meinen.
Nicht, wenn der Schwund ein Menschenleben ist.

Also, hopp, hopp. Mehr Geld und Personal in Abrüstung, Waffenvernichtung und Menschenrechtsprojekte stecken!!!
Es ist einfach verwerflich und heuchlerisch, anderen Ländern Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen und anzukreiden, wenn diese mit unseren Rüstungs-Exporten begangen werden. Also hopp, hopp, stopp mit Rüstungs-Exporten!!

Für weitere Informationen empfehle ich:

http://www.rib-ev.de/ (Rüstungsinformationsbüro)
http://www.sipri.org/ (Stockholm International Peace Research Institute)
http://www.un.org/disarmament/ATT/ (Statement der Vereinten Nationen)

2 Kommentare:

  1. Wahrscheinlich muss es sich wirtschaftlich lohnen, abzuruesten, oder sogar den Waffenhandel zu unterlassen. Dann wird es so kommen. Bis dahin... Good luck...

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    1. Ja, da stimme ich dir zu. Da bekommt der sonst so häufig genutzte Ausdruck "made in germany" einen sehr bitteren Beigeschmack. Dann doch lieber Bratpfannen made by Krupp Stahl exportieren!!

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