Was ist los in Mali?
Mali galt viele Jahre lang als Vorzeigedemokratie. Nach
einer Jahrzehnte andauernden Militärdiktatur unter Moussa Traoré gab es nach
1990 Mehrparteienwahlen, die als frei und fair bewertet wurden.1
Wie ich bereits im Sambia-Blogeintrag beschrieb, ist diese
Wandlung nicht einfach, kein Garant für ein stabiles System. Aber es ist ein wichtiger
Anfang die Lebenssituation der Menschen im Land zu verbessern.
Was ist also
passiert? Warum will die Bundesregierung Soldaten nach Mali schicken?
Mali liegt im Westen Afrikas angrenzend an Mauretanien,
Algerien und Niger.
Der größte Teil des Landes ist Wüstengebiet, ungefähr 14
Millionen Menschen leben hier. Mali ist über 1.240.000 Quadratkilometer groß, Deutschland würde also knapp dreieinhalb Mal hinein passen. Bis
zur Unabhängigkeit 1960 war Mali unter französischer Kolonialherrschaft.
Hier beginnen bereits einige der Probleme, die sich bis in
die heutige malische Politik auswirken. Anders als zum Beispiel in Sambia
spielen ethnische Unterschiede in
der malischen Gesellschaft eine sehr große Rolle.
Die französische Kolonialpolitik beinhaltete unter anderem
die sprachliche und kulturelle Assimilation. Kulturelle Unterschiede, 66
Sprachen, ungefähr 30 ethnische Gruppen, all dies wurde unter der französischen
Herrschaft irrelevant.2 3
Wichtig waren nur Französisch als Amtssprache (bis heute) und
das französische System.4
Malis Staatsstruktur bezieht sich auf das französische
Vorbild: Die Staatsform ist eine Präsidialdemokratie, die Verwaltung ist zentralistisch
aufgebaut.
In der Kolonie Französisch-Sudan zerschnitt die Grenzziehung
einige Siedlungsstrukturen, wie zum Beispiel der Songhay und der Bobo.
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Hauptstadt wurde Bamako, das im südlichen Teil des Landes
liegt. Der Norden blieb zu einem großen Teil unberührt, schließlich war dort
das unzugängliche Wüstengebiet, was allerdings 60% des Landes einnimmt.
Das Gebiet beherbergt viele Nomaden, unter ihnen die Tuareg.
Unter der Kolonialherrschaft und der Militärdiktatur wurde
der Norden unterdrückt und/oder ignoriert, vernachlässigt. Das ist allerdings keine Rechtfertigung für die Gewalttaten, die aus der Tuareg-Gruppe
heraus verübt worden sind. Es zeigt, dass der Norden von Anfang an mit innerstaatlichen Problemen und Auseinandersetzungen zu kämpfen hatte, ohne
mögliche Lösungsansätze.
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Es gab bereits 1962 und 1990 gewalttätige Konflikte in
Zusammenhang mit den Tuareg im Norden des Landes. 1962 ging es hauptsächlich um
hohe Steuern für Viehbesitz und die Integrierung der Nomaden in ein korruptes Staatssystem
unter der Militärherrschaft. Die Folge war die Flucht vieler Tuareg nach
Algerien, Burkina Faso und Libyen.8
Beim gewalttätigen Konflikt 1990 hatten viele Akteure ihre
Hände im Spiel: Gadaffi wollte unter anderem einen Tuareg-Staat mitschaffen und Algerien einige
der malischen Tuareg-Immigranten loswerden. (Abgesehen davon, dass sowohl in
Algerien, als auch in Niger und Libyen Tuareg Nomaden ihre Heimat finden.) 1995
kam es zum Ende der Gewalt und viele Tuareg-Kämpfer wurden in die malische
Armee integriert, ein Teil des Nordens selbst verwaltet. In den 2000ern gab es immer wieder auftretende
Auseinandersetzungen mit Tuareg-Rebellen in Mali.9
Hierzu muss man wissen, dass auch die Tuareg keine homogene
Gruppe bilden und unterschiedliche Strukturen besitzen. Nicht jeder Tuareg ist
ein Rebell, der sich gegen die malische Regierung wendet. Es wird zum Teil davon gesprochen, dass im Laufe der Konflikte radikale Gruppen die Tuareg unterwanderten. 10
Der Azawad-Staat
Der Bürgerkrieg in Libyen hat Spuren hinterlassen, auch in
Mali. Viele Tuareg und andere Gruppen, die während der früheren Konflikte aus
Mali auswanderten, kehrten nach dem Zerfall der Diktatur in Libyen zurück.
Im Januar 2012 putscht die MNLA (Mouvement national pour la libération de l’Azawad = Nationale
Bewegung zur Befreiung Azawads) zusammen mit Ansar Dine, AQIM (Al-Qaida
in the Islamic Maghreb) und MUJAO
(Mouvement pour l’unicité et le jihad en Afrique de l’Ouest = Bewegung zur
Einigung und Jihad in Ostafrika) die nördlichen Regierungsbezirke Malis und
übernimmt dort gewaltsam die Kontrolle.11
Die MNLA soll hauptsächlich
aus Tuareg-Rebellen bestehen, denen sich Deserteure aus der libyschen und
malischen Armee anschlossen.
Ansar Dine, AQIM und
MUJAO werden als
radikal-islamistisch eingestuft, die unter anderem die Sharia einführen wollen.
Ansar Dine sollen malische
Tuareg-Wurzeln haben, AQIM stammt
ursprünglich aus Algerien und MUJAO fühlt
sich als Teil von Al-Qaeda.12 13
Im April 2012 deklarieren die Tuareg der MNLA den
unabhängigen (Nord-)Staat Azawad von
Mali, inklusive der Regionen Timbuktu, Kidal und Gao.8
Hier gibt es viele unterschiedliche Konfliktparteien. Die Tuareg sind bereits seit der Gründung
der Republik Mali und auch während der Kolonialzeit in Konflikte mit der
jeweiligen Staatsgewalt verwickelt, gelten aber als säkular, haben also keine
religiösen, sondern vielmehr ethnisch und territorial motivierte Gründe. Das führt zu Auseinandersetzungen
mit den radikal islamistischen Kämpfern der anderen Rebellen-Gruppen.
(Zur Information: Fast 90 Prozent der Bevölkerung Malis sind Muslime, keine radikal islamistischen Terroristen, es geht auch ohne Gewalt ;))
Die radikalen Gruppen unterstützen die MNLA-Tuareg in ihrer Staatsgründung, rufen
aber zusätzlich das Sharia Gesetz im neuen Staat aus. Schwere Menschenrechtsverletzungen
folgen, so wie die Zerstörung heiliger Stätten in Timbuktu.
Die UN spricht davon, dass die MNLA nach der
Unabhängigkeitserklärung von den radikalen Islamisten zum großen Teil aus den nördlichen
Städten und Regionen vertrieben wurde.
Die malische Regierung ruft nach Beginn der gewalttätigen
Konflikte nach militärischer Unterstützung der Weltgemeinschaft, da die
malische Armee den Terroristen und Besetzern nicht viel entgegensetzen kann. Dies wird auch als Legitimation
für den ersten militärischen Einsatz Frankreichs „Operation Serval“ im Januar
2013 gesehen.14
Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete zuvor (Dezember 2012)
die Resolution 2085, die unter
anderem die Unterstützung Malis durch militärische Einsätze vorschlägt (AFISMA).
Dabei sollten die Einsätze „afrikanisch geführt“ werden, nicht
primär von europäischen oder amerikanischen Streitkräften, sondern unter der ECOWAS (Economic Community of West African States). Frankreich hatte
vehement auf eine militärische Intervention in den Konflikt bestanden.15
16
17
Malis Regierung ruft Frankreich im Januar 2013 zur Hilfe,
als die Rebellen immer weiter südlich vordringen, bevor die AFISMA fertig aufgestellt ist.
Frankreich greift rasch militärisch ein (Operation Serval), die AFISMA-Planung
wird daraufhin beschleunigt.
Im Juni 2013
kommt es zum Waffenstillstand und einem Deal zwischen den MNLA-Tuareg-Rebellen und
Vermittlern der EU und der UN. Mit den radikalen Islamisten wird nicht
verhandelt, ein Versuch mit den malischen Ansar
Dine scheitert.18
Die radikal islamistischen Kämpfer sind weitgehend zurück
gedrängt worden, die malische Regierung ist bemüht, Recht und Ordnung
wiederherzustellen und den Norden des Landes zu stabilisieren.
Zusammengefasst:
Der Konflikt in Mali ist nicht neu, aber dank der
politischen Instabilität der Nachbarn wie zum Beispiel Libyen, oder Mauretanien
und aufkeimender radikal islamistischer Gewalt verschiedener Gruppen im Land
und in angrenzenden Ländern, bleibt die Sicherheitslage
des Landes und der Sahel-Zone angespannt bis kritisch.
Das UN Flüchtlingswerk spricht von über 180.000
Flüchtlingen, die aus Mali geflohen sind und von über 300.000 Menschen, die im
Süden des Landes Zuflucht vor Gewalt, Hunger und der instabilen Lage des
Nordens suchen.19
Mehrere Parteien sind
in Mali am Konflikt beteiligt:
·
Die Tuareg-MNLA,
Tuareg-Nomaden, die den Norden Malis als eigenen Azawad-Staat für sich beanspruchen wollen
·
Die radikal islamistischen Gruppen: Ansar Dine, AQIM und MUJAO, die noch nicht aufgegeben haben
·
Desertierte Soldaten der Malischen Armee
·
Die Malische
Regierung (zur Zeit unter Ibrahim Boubacar Keita, in freier Wahl 2013
gewählt)
·
Dazu kommt die Französische Armee mit momentan 3000 stationierten Soldaten, neben
der mit insgesamt rund 6000 Soldaten starken militärischen Präsenz des von der
UN legitimierten Einsatzes MINUSMA,
dem Nachfolger von AFISMA.20
21
Der aktuelle Konflikt in Mali ist also keineswegs rein radikal
islamistisch geprägt. Wer sich mit der Geschichte des Landes näher
auseinandersetzt, der sieht, wie komplex die Staatenbildung und Gesellschaft
Malis sind. Im Mittelalter reichte das Mali Imperium von weit über Timbuktu bis
hin zum Atlantik. In Djenné und Timbuktu wurden zahlreiche Moscheen, Friedhöfe
und heilige Stätten zum Weltkulturerbe ernannt.
Mittlerweile gibt es über 100 Parteien in Mali, etliche NGOs
und dabei auch zahlreiche Differenzen, die sich nicht innerhalb von
über 50 Jahren nach der Unabhängigkeit in Luft auflösen.
Klar ist, in der Sahelzone entlang der Sahara gibt es nicht
nur in Mali Probleme mit radikal islamistischen Gruppen, die sich immer wieder
in gewalttätige Konflikte einmischen, sie forcieren oder Gewalt schüren.
Klar ist aber auch, dass innerstaatliche Konflikte auf mehr als auf Terror radikaler
Islamisten zurück zu führen sind. Zum Beispiel auf ethnisch motivierte
Benachteiligung, Elitenbildung, Korruption, Grenzkonflikte, fehlende
Infrastruktur oder Sozialsysteme, Armut und Hungersnöte, usw.
Warum ein Deutscher
Einsatz in Mali?
Schon während der ersten Intervention hat Deutschland die
Streitkräfte und den Wiederaufbau Malis unterstützt. Die Mandate laufen bis
heute weiter.
Nach eigenen Angaben beteiligte sich die Bundeswehr bisher
mit bis zu 180 Soldaten an der europäischen Ausbildungsmission des malischen
Militärs und mit Lufttransport und Luftbetankung an der Stabilisierungsmission MINUSMA der Vereinten Nationen.
22 23
Am 05.02.2014 beschloss das Kabinett der Bundesregierung die Präsenz in Mali aufzustocken und bis zu 250 Soldaten zur Ausbildung der Armee ins Land zu schicken. Der Bundestag muss bis zum 21. Februar noch zustimmen.
24
Deutschland sieht sich also in der Pflicht, mit
Bundeswehreinsätzen unter anderem für die Stabilität Malis zu sorgen. Meist
wird als Grund neben der Völkerrechts-Legitimation der Schutz deutscher
Staatsbürger genannt, dadurch, dass Terroristen in einem unsicheren Land keinen
Nährboden finden, wenn der Einsatz Erfolg hat.
Frankreich wollte ursprünglich seine
Soldatenanzahl auf 1000 begrenzen, da auch in einem anderen Konfliktherd Zentralafrikas, der Zentralafrikanischen Republik,
Bedarf an weiteren Soldaten besteht.25
Wie wir sehen, ist der Konflikt im
Land nicht einfach zu bewältigen, das unwegsame nördliche Gebiet erinnert viele
an Afghanistan. Ist ein Erfolg also mit Hilfe deutscher Kräfte überhaupt möglich?
Zentraler Punkt des UN legitimierten Einsatzes in Mali ist
die Stabilisierung des Landes.
Deutschland ist mit der Ausbildung der Armee bereits daran beteiligt, also scheint es konsequent, dort weiter zu
machen.
Ich sehe einen langfristigen Einsatz auf uns zu kommen, denn der Konflikt um den Norden des Landes besteht bereits seit über 100 Jahren. Ohne mit den Tuareg zu verhandeln, die dafür allerdings ihre Kampfhandlungen einstellen müssten, gibt es keine längerfristige, friedliche Lösung. Die Situation der radikal islamistischen Gruppen, die in der gesamten Sahel-Zone ihr Verbreitungsgebiet haben und im Niger, in Libyen und anderen Staaten in der näheren Umgebung Malis wirken, wird sich auch nicht durch das ewige Zerschlagen der kurzfristig besetzten Gebiete und Städte lösen. Oder durch ein ständiges „Dagegenhalten“.
Ich sehe einen langfristigen Einsatz auf uns zu kommen, denn der Konflikt um den Norden des Landes besteht bereits seit über 100 Jahren. Ohne mit den Tuareg zu verhandeln, die dafür allerdings ihre Kampfhandlungen einstellen müssten, gibt es keine längerfristige, friedliche Lösung. Die Situation der radikal islamistischen Gruppen, die in der gesamten Sahel-Zone ihr Verbreitungsgebiet haben und im Niger, in Libyen und anderen Staaten in der näheren Umgebung Malis wirken, wird sich auch nicht durch das ewige Zerschlagen der kurzfristig besetzten Gebiete und Städte lösen. Oder durch ein ständiges „Dagegenhalten“.
Deutschland in Mali? Mal schauen, wie es weitergeht!
Linkliste
1Rainer Tetzlaff und Cord Jakobeit - Das nachkoloniale Afrika Grundwissen Politik Band 35
2http://www.ethnologue.com/country/ML
3http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Mali_node.html
4Heine, Bernd und Mechthild Reh: Sprachpolitik in Afrika. Mit einem Anhang: Bibliographie zur Sprachpolitik und Sprachplanung in Afrika.Hamburg: Helmut Buske, 1982
5http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/
6http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/onTEAM/preview/Ipw/Akuf/kriege/321ak_mali_print.htm
7http://www.heise.de/tp/artikel/38/38532/1.html
8http://www.ipinst.org/publication/policy-papers/detail/387-mali-and-the-sahel-sahara-from-crisis-management-to-sustainable-strategy.html
9http://www.aljazeera.com/indepth/features/2012/03/201232211614369240.html
10http://www.sid-berlin.de/files/SID-Band11_Gewaltt%C3%A4tige-Konflikte.pdf
11http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/background.shtml
12http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2013/03/206493.htm
13http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2012/12/201660.htm
14http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/frankreich-militaerintervention-mali-terrorismus-vereinte-nationen-mandat/
15http://www.securitycouncilreport.org/un-documents/malisahel/
16http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-21009958
17http://www.dw.de/streit-um-mali-mission/a-16440986
18http://www.france24.com/en/20130618-mali-deal-tuareg-rebels-mnla-bamako-qaeda/
19http://www.unhcr.org/pages/49e484e66.html
20http://www.ouest-france.fr/mali-la-france-devrait-renforcer-sa-presence-militaire-1689646
21http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minusma/facts.shtml
22http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKUVL3UzLzixNSSqlS93MziYqCK1Dy93MScTCCRl5JYkqpfkO2oCACrGRqc/
23http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKU1PjUzLzixJIqIDcxu6Q0NScHKpRaUpWql5uYk6mXmZeWr1-Q7agIANrtCHc!/
24 http://www.tagesschau.de/inland/bundeswehr-mandat-verlaengert100.html
25http://www.sueddeutsche.de/politik/mali-und-zentralafrikanische-republik-bundesregierung-bereitet-afrika-einsatz-vor-1.1865908
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