Donnerstag, 15. Mai 2014

Recht auf Abtreibung – Recht am eigenen Körper


Recht auf Abtreibung - Recht am eigenen Körper


Abtreibung ist ein heiß diskutiertes Thema und es ist sehr emotional. Wer hat das Recht am ungeborenen Leben, wann beginnt das Leben und wer darf über welches Leben entscheiden?
In Deutschland gibt es eigentlich klare Regeln.
Ein Schwangerschaftsabbruch ist im Prinzip rechtswidrig und steht im Strafgesetzbuch. Er bleibt aber straffrei, wenn erstens die Beratungsregelung greift und/oder zweitens eine medizinische oder kriminologische Indikation vorliegt. (Siehe § 218 a Abs.1, § 219 Strafgesetzbuch -StGB-1 )


1. Beratungsregelung

  • Mindestens drei Tage vor dem Eingriff muss eine Frau, die abtreiben möchte, bei einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (ja, so heißt es) ein Beratungsgespräch durchgeführt haben. Staatlich anerkannt sind unter anderem: pro familia, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz oder Diakonische Werke, aber auch einige Ärzte in Gesundheitsämtern.
  • Die Abtreibung wird bis zu 12 Wochen nach Empfängnis von einem Arzt durchgeführt, der nicht bei der vorherigen Beratung dabei war.
  • Die Kosten trägt die Frau, die den Abbruch vornehmen lässt, es sei denn sie befindet sich in einer finanziellen Notlage.

2. Medizinische oder kriminologische Indikation

  • Erfolgte die Schwangerschaft durch eine Straftat, also einem Sexualdelikt, ist die Abtreibung nicht strafbar und ebenfalls innerhalb von 12 Wochen durchführbar.
  • Bei akuter Lebensgefahr der Schwangeren oder schwer wiegenden Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes, ist ein Abbruch möglich. Je nach Schwere der Lage auch nach der 12. Schwangerschaftswoche. Die Frau muss mindestens drei Tage vor dem Eingriff ebenfalls an einem Beratungsgespräch teilgenommen haben.
  • Die Kosten übernimmt die Krankenkasse der Schwangeren, wenn sie versichert ist.

Ein Schwangerschaftsabbruch kostet 200 bis 575 Euro. Neben der medikamentösen Methode gibt es den chirugischen Eingriff, der meist ungefähr zehn Minuten dauert. Aber Vor- und Nachbereitung brauchen mindestens zwei Stunden und eine andere Person sollte die Frau am selben Tag noch begleiten und eventuell unterstützen. Bis zu vier Tage nach dem Eingriff sollte die Frau sich schonen und auf sich acht geben.4
Mal eben so ein Kind abtreiben - das gibt es in Deutschland nicht, es sei denn, die Frau und der Arzt möchten sich strafbar machen. Das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit ist in unserem Grundgesetz verankert. Für einen Embryo bis zur 12. Woche gilt dies in Deutschland rein gesetzlich gesehen nicht. (In der 12. Woche funktionieren beim Embryo bereits die wichtigsten Organe, ein Herzton ist auch hörbar. Er ist bereits um die fünf Zentimeter groß.)
2013 wurden in Deutschland 102.800 Schwangerschaften abgebrochen, davon waren 3703 aufgrund von medizinischer Indikation, 20 wegen kriminologischer und 99.079 mit Hilfe der Beratungsregelung straffrei. 2012 waren es 106.815, 2006 108.867 Abbrüche.5

Weltweite Regelungen

In Frankreich ist seit diesem Jahr (2014) eine Abtreibung bis zur zwölften Woche ohne ,,soziale Notlage" erlaubt. Die staatliche Krankenkasse übernimmt (seit 2013) die Kosten für den Eingriff, ohne vorher eine Notlage prüfen zu müssen. Faktisch seien die Schwangerschaftsabbrüche aber bereits vor der Streichung der ,,Notlagenpassage" ohne Überprüfung von Notlagen durchgeführt worden. Abtreibung ist in dieser Form in Frankreich also legal. 6
Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Frankreich liegt bei 220.000 pro Jahr. Fast die Hälfte aller Frauen verwendet die Pille Mifegyne, nutzt also die medikamentöse Abtreibung. Die Änderungen wurden heftig kritisiert, viele Abtreibungsgegner gingen auf die Straßen und sprachen von einer Banalisierung der Abtreibung.

Spanien handhabte Schwangerschaftsabbrüche bisher so, ähnlich wie in anderen europäischen Staaten, dass Frauen bis zur 14. Woche straffrei abtreiben dürfen. Aber ein neues Gesetz ist (immer noch) auf dem Weg, dass Abtreibungen nur noch nach einer Vergewaltigung oder bei Lebensgefahr der Mutter stattfinden dürfen.7 Ein Arzt könnte bei einer dann illegalen Abtreibung bis zu drei Jahre ins Gefängnis gehen.
Im katholischen Land gingen viele Spanierinnen auf die Straße, um für das Recht auf Abtreibung zu demonstrieren. Bisher ist das Gesetz noch nicht rechtskräftig, aber bisher gibt es auch keine Anzeichen für eine Änderung.

In Brasilien ging vor einiger Zeit die Geschichte eines vergewaltigten neunjährigen Mädchens umher, die laut der Gesetzeslage im Land keine Abtreibung hätte vornehmen dürfen, es aber dann doch tat. Abtreibungen sind immer noch verboten. Doch im August 2013 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das eine medizinische und psychologische Hilfe staatlicher Einrichtungen für vergewaltigte Frauen vorsieht. Diese Ärzte können den Hilfe suchenden Frauen die Pille danach verabreichen. Auch bei Lebensgefahr der Mutter oder wenn das Kind lebensunfähig ist und die 20. Schwangerschaftswoche nicht überschritten wurde, ist ein Abbruch jetzt möglich. 8
In Brasilien gibt es eine hohe Dunkelziffer illegaler Abtreibungen. Viele Frauen sterben dabei oder kommen wegen unsachgemäßer Abbrüche ins Krankenhaus. Ich empfehle das Interview mit dem Gynäkologen und Geburtshelfer Jefferson Drezett, der sich für straffreie Abtreibungen in Brasilien einsetzt.9
Drezett erklärt unter anderem, dass Frauen mit genügend finanziellen Mitteln in Abtreibungskliniken, die sachgemäß und hygienisch vorgehen, abtreiben können. Aber die meisten Frauen, die ungewollt schwanger sind, müssen auf riskantere Methoden und unsachgemäße Behandlungen zurückgreifen.

Die Weltgesundheitsorganisation erklärte in einer Studie in einem Zeitraum von 1995 bis 2008, dass überall dort, wo Abtreibungen illegal sind, diese sehr unsicher seien und eine hohe Sterblichkeitsrate vorliege. In Ländern, in denen Abtreibungen legalisiert wurden, seien die Todesfälle rapide zurück gegangen, wie zum Beispiel in Südafrika oder sogar in Nepal. 10 11


Recht am eigenen Körper?

In vielen Ländern, in denen Abtreibungen illegal sind, werden die Frauen mit dem ,,Problem" oft alleine gelassen. Kinderkriegen und sie erziehen sei eben Frauensache, also auch die Beseitigung des unerwünschten Kindes. Dass aber bei Abtreibungen nur Frauen kriminalisiert werden, finde ich ziemlich krass. Zu einem Kind gehören ja mindestens zwei Personen.
Es gibt einige Artikel, die sich auch mit den Folgen einer Abtreibung für Väter beschäftigt. Bei einer gemeinsamen Entscheidung sollte auch der Vater mit zu Beratungen gehen und Unklarheiten beseitigen. Zwar macht der Vater die Abtreibung nicht körperlich mit, seelisch ist das jedoch nicht ausgeschlossen. Weiterführendes Interview hier. 12
Weiterhin gibt es zumindest in Deutschland nicht das Recht darauf, als Vater eine Abtreibung zu verlangen oder einen Schwangerschaftsabbruch zu verhindern.
Das finde ich richtig. Ich finde auch den Spruch richtig ,,mein Körper gehört mir."
Ja, Väterrechte sollten weiter gestärkt werden. Aber beim Thema Schwangerschaft und Abtreibung gilt zuallererst das Recht am eigenen Körper, das sich Frauen über die letzten Jahrhunderte erkämpfen mussten. Obwohl es eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Mit diesem Körper bestreiten wir unser Leben. Niemand hat das Recht in meinen Körper ohne meine Einwilligung einzugreifen.

Über den Beginn des Lebens kann man gerne streiten. Auch darüber, dass Abtreibungen schwer behinderter Kinder selbst nach der 12. Woche möglich sind. Da gibt es leider sehr viele schwammige Definitionen und Grenzfälle. Eine Abtreibung ist sicher kein Spaß und keiner sollte ein neues Leben leichtfertig beenden.
Aber wer Abtreibungen kriminalisiert, wird damit illegale Abbruchwege fördern. Und die sind in den entsprechenden Ländern entweder nur für finanziell gut situierte Menschen möglich oder unsachgemäß und gefährlich. Abtreibungen finden in vielen europäischen Ländern ohne größere Komplikationen statt, zumindest meist ohne körperliche Probleme danach.

Verhütung, aber ja!

Richtig ist, dass es am besten gar nicht erst zu einer ungewollten Schwangerschaft kommen sollte. Aufklärung und Verbreitung von Verhütungsmethoden sind leider immer noch nicht überall wirklich angekommen und bleiben oft weiter ein Tabuthema. Aber in den meisten Fällen laufen schwangere Frauen auch nicht alle vier Wochen in eine Abtreibungsklinik, weil sie oder er oder beide mal wieder das Kondom vergessen haben. Es ist meist ein wohlüberlegter Schritt, der einiges an Vor- und Nachbereitung braucht. Sicherlich gibt es da auch skrupellosere Frauen, aber ehrlich gesagt, geht eine Abtreibung nur diese Frauen (und im Idealfall die dazu gehörenden Männer) etwas an.
Was wäre denn die Alternative? Frauen neun Monate in Krankenhäuser einsperren und sie zur Geburt und zur Erziehung der nächsten 18 Jahre zwingen? Oder sie zur Adoption nötigen und das Kind in eine noch unsicherere Zukunft entlassen?

Eine Frau hat, wie ein Mann auch, das Recht über ihren Körper frei zu verfügen. Das ist unser angeborenes Recht. Wir haben ausreichende Gesetze, die einen Schwangerschaftsabbruch berechtigen. Niemand wird durch Zwang zu einer guten Mutter oder zu einem guten Vater. Die Abtreibung muss dann jede Frau und jeder Mann mit dem eigenen Gewissen vereinbaren und damit leben. Niemand anderen geht das dann noch etwas an. Deshalb sollte die Entscheidung auch niemals leichtfertig getroffen werden.
Es sterben weltweit zu viele Frauen an den Folgen unsachgemäßer Abtreibungen. Frauen zu stigmatisieren hilft da niemandem. Wir sollten mehr darüber reden, Abtreibung nicht tabuisieren und uns für kinderfreundlichere Lebensbedingungen einsetzen.


Linkliste

1http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did=98262.html
2http://www.gofeminin.de/schwangerschaft/abtreibung-d10497.html
3http://www.profamilia.de/erwachsene/ungewollt-schwanger/schwangerschaftsabbruch/kosten.html
4http://www.familienplanung.de/beratung/schwangerschaftsabbruch/der-operative-abbruch/
5https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Schwangerschaftsabbrueche/Tabellen/RechtlicheBegruendung.html
6http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/57302/Frankreich-Abtreibung-nicht-nur-bei-Notlagen
7http://www.dw.de/spanien-proteste-gegen-abtreibungsgesetz/av-17588325
8http://www.npla.de/de/poonal/4378--neues-gesetz-in-kraft-abtreibung-nach-vergewaltigung-moeglich
9http://www.npla.de/de/poonal/4496-abtreibungsverbot-ist-ein-todesurteil-fuer-frauen
10http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/75174/1/WHO_RHR_12.02_eng.pdf
11http://www.guttmacher.org/pubs/fb_IAW.html
12http://www.familienplanung.de/beratung/maenner-im-konflikt/interview-maennerthemen/

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