Waffenhandel Teil 1: Deutschlands Exporte
Kontrolle des Waffenhandels
Ich hoffe, meine Schwester, die
immer sagt, ich soll nicht so viel über Waffenhandel lesen und mich dann
aufregen, verzeiht mir, aber der internationale Handel mit Waffen und die Rüstungsindustrie
sind zwei meiner „liebsten“ Nachforschungsobjekte. Und eines meiner größten
Anliegen ist der weltweite Rückgang und – vielleicht eher durchführbar - die
bessere Kontrolle von Waffenhandel.
Jeder kennt den Spruch „Nicht
Waffen töten Menschen – Menschen töten Menschen“.
Zynischer geht es eigentlich kaum
noch, wenn man sich anschaut, wie viele Menschen mit Waffen weltweit getötet
und verletzt werden.
Wir haben eine Unmenge an Waffen erschaffen, die andere Menschen töten, verletzen, verstümmeln können.
Manche sind brutal wie Minen oder Streubomben, andere, wie Maschinengewehre sind richtige Exportschlager weltweit.
Alle haben ein Ziel: Das Töten von Menschen. Da kann mir niemand etwas anderes erzählen, Waffen sollen töten.
Sonst hätte man ja Platzpatronen als Munition oder Betäubungsmittel.
Dabei nehmen Kleinwaffen eine
ganz besondere Rolle ein. Die UN berichtet, dass die meisten Menschen, die in
Konflikten getötet werden, durch Kleinwaffen ihr Leben verlieren.1
Kleinwaffen werden überall gerne
eingesetzt, ob im organisierten Verbrechen oder im Privatgebrauch. Mit einer
Kleinwaffe kann man Menschen schnell und meist unproblematisch kontrollieren,
missbrauchen, töten.
Kleinwaffenbeispiele sind zum
Beispiel Maschinengewehre, Pistolen, Gewehre und sogar Raketenwerfer. Kann man
schließlich alles mit einer oder zwei Händen transportieren und benutzen (über
die genaue Definition streiten sich Experten bis heute).2
Das Abkommen „Arms Trade Treaty“ (ATT) wurde am 2.
April 2013 von der UN-Generalversammlung verabschiedet. 116 Staaten haben das
Abkommen unterzeichnet, das eine bessere Kontrolle von
konventionellen Rüstungsgütern weltweit ermöglichen soll.3
Konventionelle Waffen, das sind
im Prinzip alle von Kleinwaffen bis zu Panzern, Kampfschiffen, bewaffneten
Flugkörpern, Raketen und so weiter.
Das Abkommen ist eigentlich ein
Riesenschritt für die weltweite Kontrolle. Dickes, fettes aber: Wie so immer bei vielen UN-Abkommen gelten diese als
Selbstverpflichtung der jeweiligen Staaten. Jeder Staat soll nationale
Überwachungsinstanzen einsetzen oder verstärken, um den Waffenhandel besser
kontrollieren zu können.
Ein besonders hervorgehobener Teil des Abkommens ist,
dass die Waffen nicht in Länder verkauft werden sollen, in denen sie Frieden
und Sicherheit gefährden, gegen internationales humanitäres Recht verstoßen, Terrorismus
oder das organisierte Verbrechen unterstützen würden.4
Nun stellt sich mir und anderen
Abrüstungsfreunden die Frage, wann eine Riesenmenge an Waffen für alle und jeden denn jemals nicht die Sicherheit gefährdet, aber
das ist eine andere, eine Grundsatzfrage…
Rüstungskontrolle in Deutschland – Gesetzeslage
Deutschland hat eines der
schärfsten Waffengesetze weltweit. Andererseits sind wir seit Jahrzehnten
drittgrößter Rüstungsexporteur.
SIPRI (Stockholm International Peace Institute) schreibt in seinem Waffenhandelsbericht
von 2013, dass Deutschland mit 7 Prozent zum weltweiten Rüstungsexport
beiträgt, nach Russland mit 26 und den USA mit 30 Prozent.5
Die größten Importeure waren
Indien mit 12 Prozent, China mit sechs Prozent und Pakistan und Südkorea mit je
fünf Prozent am Weltmarktanteil.
(Zynismus an) Indien, China und
Pakistan sind ja bekannt für die konsequente Einhaltung der
Menschenrechte…(Zynismus aus)
Das Kriegswaffenkontrollgesetz KrWaffKontrG
Deutschlands besagt, dass die Bundesregierung, nämlich der Bundessicherheitsrat,
den gesamten Umgang mit Kriegswaffen in Deutschland genehmigen muss, also
„Herstellung, Erwerb, Überlassung der tatsächlichen Gewalt, jede Art der
Beförderung sowie Vermittlungsgeschäfte“.6
Der Umgang mit sonstigen
Rüstungsgütern handelt das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die
Außenwirtschaftsverordnung (AWV).
Dabei gibt es eine lange Liste
von Ausnahmen von Rüstungsmaterial, das in bestimmte Länder wie zum Beispiel in
die Elfenbeinküste, Birma oder Weißrussland nicht ausgeliefert werden darf.7
Genehmigungen erteilt das
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle unter dem
Bundeswirtschaftsministerium.
Lieferverträge für Waffen und
Rüstung in Drittländer (also im Falle Deutschlands Länder außerhalb der NATO, der EU oder
der EWG) sollen die Vernichtung von
alten Waffen beinhalten, bei Lieferung neuer Waffen oder wenn alte Waffen nicht
mehr verwendet werden.
Erst kürzlich wurde über die G36
Gewehre von Heckler und Koch aus Deutschland berichtet, die im Drogenkrieg in
Mexiko in den „gefährdeten“ Regionen gefunden wurden, obwohl dorthin explizit
nicht ausgeliefert werden sollte.
Ich empfehle die Dokumentation
„Waffen für die Welt“ von Daniel Harrich. Darin verfolgt das Reporterteam die deutschen Waffen rund um
den Globus. Unter anderem lassen sich die Kleinwaffen in Mexiko, Kolumbien und
Sudan finden. Alles super sichere Länder, die ganz gewiss gewissenhaft mit den
Waffen umgehen werden.
Der Film ist in der ARD Mediathek noch bis Montag den 3. März zu sehen, lief bei der ARD in der günstigen Zeit 23:45 Uhr...(Film Waffen für die Welt)
Die Lieferverträge und strikten
Regeln funktionieren für Waffen anscheinend genau so gut, wie die Einhaltung
der Mindeststandards von Bekleidungsfirmen-Zulieferern in Ländern wie Bangladesch
oder Indien.
Rüstungsexporte aus Deutschland in Drittländer
Deutschland hat, laut dem Statistischen
Bundesamt, im Jahr 2012 Kriegswaffen im Wert von über 946 Millionen Euro aus
Deutschland ausgeführt (Rüstungsexportbericht Seite 34).
Ich beziehe mich auf den Bericht von 2012, da der Bericht für 2013 noch nicht erschienen ist.
Beim Durchlesen des Rüstungsexport-Berichtes
von 2012 gibt es einiges, was nicht sofort ins Auge fällt.
Rüstungsgegner und Autor Jürgen
Grässlin kritisiert in seinem Buch „Schwarzbuch Waffenhandel“, dass die meist
jährlichen Berichte keine Informationen über Herstellerfirmen geben und mit
monatelanger Verspätung und unvollständigen Angaben erscheinen (S. 138ff).8
Ich kann jedem, der sich detaillierter mit der deutschen Waffenindustrie und den Exporten beschäftigen will, dieses Buch nur wärmstens empfehlen.
Ich kann jedem, der sich detaillierter mit der deutschen Waffenindustrie und den Exporten beschäftigen will, dieses Buch nur wärmstens empfehlen.
Überhaupt ist kaum durchsichtig,
wann genau welche Waren geliefert wurden. Aufgelistet werden nur die
Ausfuhrgenehmigungen und die Ausfuhrgenehmigungs-Ablehnungen in Form der
Waffen-/Rüstungskategorien. Hallo, deutsche Bürokratie!
Deutschland behält sich vor,
Ausfuhrgenehmigungen nicht zu erlauben, wenn bestimmte Kriterien nicht erfüllt
sind. Besonders interessant sind dabei Kriterium
7 und Kriterium 2.
Kriterium 7: „Risiko der Abzweigung von Militärtechnologie oder
Militärgütern im Käuferland
oder der Wiederausfuhr von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen.“
Kriterium 2: „Achtung der Menschenrechte und des humanitären
Völkerrechts durch das Endbestimmungsland.“
Dabei lassen sich einige Länder
finden, in denen Kriterium 7 und Kriterium 2 für einige Exporte in Kraft
treten und für welche Ausfuhrgenehmigungen verweigert wurden. Besonders
auffällig ist dabei die Nummer A0001,
die unter anderem für die Bezeichnung von Maschinengewehren, Pistolen, Revolvern,
also Kleinwaffen zuständig ist.
Beispiele:
Indonesien: 51
Genehmigungen
unter anderem Teile für Panzer, Maschinenpistolen,
Kommunikationsausrüstung
Gesamt: 9.447.814 Euro
Es gibt vier endgültige Ausfuhrgenehmigungs-Ablehnungen
im Wert von 242.426 Euro der Kategorie A0001
(Kleinwaffen), A0003 (Munition dafür) und A0005 (Steuer-, Radarsysteme und Co),
wegen Kriterium 7 und Kriterium 2, wie oben genannt.
Nicht ersichtlich wird, wie viele
und welche Waffentypen letztlich nach Indonesien gegangen sind oder welche
Einschränkungen bei der Lieferung gemacht wurden, denn bei den
Genehmigungen taucht die Kategorie A0001
ebenfalls auf.
Die Gemeinsame Konferenz Kirche
und Entwicklung (GKKE) stellt eigene
Rüstungsberichte für Deutschland zusammen, die mit öffentlich zugänglichen
Daten (unter anderem von den Vereinten Nationen) erstellt werden.9
Darin listen sie Lieferungen aus Deutschland nach Indonesien für 2012 auf: 569 Maschinenpistolen und 350
Sturmgewehre.
Die Bundesregierung bestätigte
für 2013 eine Lieferung von 164 Panzern nach Indonesien.10
Die Achtung der Menschenrechte
kann in dem Land also nicht überall sicher gewährleistet werden (Kriterium 2), deshalb lieber nicht
„alle“ Kleinwaffen nach Indonesien verkaufen. Aber Panzer schon. Abgesehen davon, dass
Indonesien Jahrzehnte lang im Konflikt mit Ost-Timor stand, dabei massive
Menschenrechtsverletzungen stattfanden und ein Abzug der UN-Blauhelm-Soldaten aus
Ost-Timor knapp ein Jahr her ist.
Das nennt man verantwortungsvolle
Rüstungspolitik?
Saudi-Arabien: 322
Genehmigungen
unter anderem für Grenzsicherungsausrüstung, Bordwaffensteuersysteme,
Software für Flugkörpersteuerung und Kommunikationsausrüstung
Gesamt: 1.237.288.814 Euro
Dabei gab es fünf Ausfuhrgenehmigungs-Ablehnungen
im Wert von 1349 Euro wegen Kriterium 7
und Kriterium 2 der Kategorie A0001 (Kleinwaffen), A0003 (Munition
dafür) und A00011 (Elektronische und Navi-Ausrüstung).
Weil die Menschenrechte in
Saudi-Arabien zum Teil nicht gewährleistet sind, die Menschenrechtslage prekär
ist, (zum Beispiel dürfen Frauen immer noch nicht Auto fahren, ohne Genehmigung
eines Mannes einer bezahlten Arbeit nachgehen oder reisen; Auspeitschen ist
eine legitime Bestrafung, Folter in Gefängnissen erlaubt)11
dürfen Kleinwaffen und Munition nicht oder nur eingeschränkt ausgeführt
werden. Auch hier steht in der Liste der Genehmigungen die Kategorie A0001.
2012 wurden laut GKKE nicht viele Kleinwaffen von Deutschland nach Saudi-Arabien geliefert. Das war aber anscheinend auch nicht nötig,
da 2011 bereits 4213 Sturmgewehre, 1233 Maschinenpistolen, 46 Gewehre und Karabiner ins Land kamen.12
Über eine Milliarde Euro wurden für
andere Rüstungsgegenstände ausgegeben. Was man wohl mit einem
Bordwaffensteuerungssystem so anfangen kann? Vielleicht Schiffe, Flugzeuge oder
Landfahrzeuge damit ausstatten? Klingt ziemlich durchschlagend!
Warum überhaupt Rüstungsexporte in
Länder gehen, in denen die Menschenrechtslage kritisch ist und in denen man
nicht etwa UN-Missionen beliefert oder unterstützt, ist für viele Menschenrechtler
und Rüstungsexport-Kritiker und für mich persönlich unbegreiflich.
Wen will man damit unterstützen?
Saudi-Arabien führt gegen wen gerade einen Krieg oder einen bewaffneten
Konflikt, der wie zu rechtfertigen ist?
Die Arabische Welt muss schließlich
mit Hilfe unserer Verbündeten stabil
gehalten werden?
Klappt ja super.
Ich erwähne nur mal ganz kurz,
dass auch in Libyen deutsche Waffen im Einsatz waren. Und nicht nur auf der
„guten“ Seite.
Was ist, wenn politische Systeme
umstürzen, sich ändern, (erneut) Gewalt ausbricht? Sollte man mehr Waffen,
dieses Mal an die „richtigen“ Verbündeten liefern? An diejenigen, die mit der
guten deutschen Wertarbeit, mit deutschen Panzern und G36 für Frieden und
Sicherheit sorgen werden? Mehr Waffen = mehr Sicherheit?
Hat denn eigentlich niemand auf
dieser Welt Lust, abzurüsten?
Ich fürchte nicht.
Abrüstung schalalaschade eigentlich irgendwie wohl nicht
Ich möchte betonen, dass ich das
Abkommen Arms Trade Treaty (ATT) der Vereinten Nationen gut finde, auch, wenn
ich es momentan nur für ein Lippenbekenntnis halte.
Vielleicht werden irgendwann
einmal die Menschenrechte eingehalten und kontrollierter Kriegswaffenhandel
wird dann überflüssig.
Aber bis dahin ist es leider ein
langer (unmöglicher?) Weg.
Deutschland besitzt strenge
Gesetze, was Kriegswaffenherstellung und -exporte angeht. Trotzdem werden mit den Exportgütern Verbrechen
begangen und Waffen in einen Umlauf gebracht, der nicht mehr zu kontrollieren
ist. Trotz aller Papiere, Abkommen und Gesetze: Waffen, die in Deutschland
hergestellt und aus Deutschland exportiert werden, kommen nicht immer in die
„richtigen“ Hände.
Bisschen Schwund ist immer,
möchte man da meinen.
Nicht, wenn der Schwund ein
Menschenleben ist.
Also, hopp, hopp. Mehr Geld und
Personal in Abrüstung, Waffenvernichtung und Menschenrechtsprojekte stecken!!!
Es ist einfach verwerflich und heuchlerisch, anderen Ländern Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen und anzukreiden, wenn diese mit unseren Rüstungs-Exporten
begangen werden. Also hopp, hopp, stopp mit Rüstungs-Exporten!!
Für weitere Informationen
empfehle ich:
http://www.rib-ev.de/
(Rüstungsinformationsbüro)
http://www.sipri.org/ (Stockholm International Peace Research
Institute)
http://www.un.org/disarmament/ATT/
(Statement der Vereinten Nationen)
Linkliste
1http://www.un.org/disarmament/convarms/SALW/
2http://un-casa-isacs.org/isacs/0550-en_spreadsheet.xls
3https://www.un.org/disarmament/ATT/
4https://treaties.un.org/doc/Treaties/2013/04/20130410%2012-01%20PM/Ch_XXVI_08.pdf#page=21
5http://www.sipri.org/yearbook/2013/2013/files/sipri-yearbook-2013-kurzfassung-auf-deutsch
6http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/ruestungsexportbericht-2012
7http://www.gesetze-im-internet.de/awv_2013/__76.html
8Jürgen Grässlin "Schwarzbuch Waffenhandel" - Wie Deutschland am Krieg verdient, Heyne Verlag, München 2013.
9http://www3.gkke.org/71.html
10http://www.tagesschau.de/inland/panzer-indonesien102.html
11http://www.amnesty.org/en/region/saudi-arabia/report-2013
12http://www3.gkke.org/69.html
1http://www.un.org/disarmament/convarms/SALW/
2http://un-casa-isacs.org/isacs/0550-en_spreadsheet.xls
3https://www.un.org/disarmament/ATT/
4https://treaties.un.org/doc/Treaties/2013/04/20130410%2012-01%20PM/Ch_XXVI_08.pdf#page=21
5http://www.sipri.org/yearbook/2013/2013/files/sipri-yearbook-2013-kurzfassung-auf-deutsch
6http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/ruestungsexportbericht-2012
7http://www.gesetze-im-internet.de/awv_2013/__76.html
8Jürgen Grässlin "Schwarzbuch Waffenhandel" - Wie Deutschland am Krieg verdient, Heyne Verlag, München 2013.
9http://www3.gkke.org/71.html
10http://www.tagesschau.de/inland/panzer-indonesien102.html
11http://www.amnesty.org/en/region/saudi-arabia/report-2013
12http://www3.gkke.org/69.html