Donnerstag, 23. Januar 2014

Afrika? Ist das nicht der Kontinent mit Bürgerkrieg und Hunger? Beispiele gegen den Afrika-Pessimismus.



Teil 1: Sambia

Ja, die Nachrichten sind regelmäßig voll davon. Voll von Bildern ausgemergelter Kinderkörper, flüchtender Menschen, Spendenaufrufe für die Notleidenden Afrikas.
Ja, diese Menschen sind in Not und ja, das ist schlimm.
Aber: Afrika ist ein Kontinent mit 54 Staaten (55 wenn man Somaliland mitzählt, das international nicht anerkannt wird).
In diesen 55 Staaten herrscht bei weitem nicht überall ein Bürgerkrieg oder eine Hungersnot.
Es ist traurig, dass Afrika oft als ein homogenes, von Kriegen zerrüttetes „Land“ betrachtet wird, obwohl dieser Kontinent weit mehr zu bieten hat.

Heute fange ich mit einem Länderbeispiel an: Sambia
Mir geht es nicht um die Darstellung lupenreiner Demokratien oder um besonders hohe Bruttoinlandsprodukte.
Ich will hier Sambia kurz vorstellen und einige Probleme ein bisschen genauer betrachten, so wie einige positive Entwicklungen herausarbeiten.
Die Strukturen sind vielleicht brüchiger und instabiler als in bereits seit mehreren Jahrzehnten gefestigten Demokratien. Aber sie zeigen, dass weit verbreitete Vorurteile eines „Kriegs- und Hungerkontinentes“ nicht der Wahrheit entsprechen. Die Nachrichten können immer nur einen Teil des Weltgeschehens wiedergeben. So sieht man dementsprechend nur einen kleinen Teil eines riesigen, vielfältigen Kontinents.


Überblick
Sambia ist eines der ärmsten Länder der Welt. Auf dem Bertelsmann Transformations Index belegt es Platz 167 von 184 Ländern des HDI: dem Human Development Index.
Der BTI hat sich zum Ziel gesetzt, eine vergleichende Analyse von Entwicklungs- und Transformationsprozessen in den Bereichen Demokratie und Wirtschaft zu liefern.

Warum wähle ich also Sambia als ein Beispiel mit positiven Entwicklungen aus?

Weil nicht alles schwarz und weiß ist. Ein Land, in dem die Mehrheit arm ist, muss nicht stehen bleiben, muss nicht dem Untergang geweiht sein.
Schauen wir uns Sambia einfach mal genauer an.

Wer Sambia auf der Weltkarte sucht, findet es im südlichen Afrika, zwischen Angola und Tansania



"© OpenStreetMap contributors"


Sambia wurde am 24.10.1964 von Großbritannien (zuvor war es Protektorat Nordrhodesien) unabhängig.
Auf 752.614 Quadratkilometern (etwas mehr als doppelt so groß wie Deutschland) haben 13,1 Millionen Menschen ihr zu Hause.
Sambia ist sehr reich an Bodenschätzen: Kupfer, Kobalt, Edelsteine; somit ist auch der Bergbau neben der Landwirtschaft wichtigster Wirtschaftszweig.
Amtssprache ist Englisch, sieben weitere Sprachen haben offiziellen Status (von 46 Sprachen).
Staatsform ist die Republik mit einem Zweikammern-Parlament.
Die letzten freien Parlaments-Wahlen fanden 2011 statt.

1. Menschenrechte

Sambia bildet leider keine Ausnahme, was die Menschenrechtssituation vor allem von Frauen in afrikanischen Ländern angeht. Diskriminierung und Gewalt sind weit verbreitet, der Zugang zu höheren Bildungsinstitutionen bleibt Frauen oft verwehrt.
Aber auch hier sind die Grundlagen für Verbesserung vorhanden:
Vergewaltigung in der Ehe ist gesetzlich nicht verboten, aber der neue Verfassungsentwurf von 2012 schreibt dies mit in die Definition von Vergewaltigung hinein, die mit bis zu lebenslänglicher Haft bestraft wird. Genitalverstümmelung bei Mädchen soll ebenfalls verboten werden, dies steht auch im Verfassungsentwurf von 2012. In Sambia wurden unter einem Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren dieser Prozedur unterzogen. Die Praxis ist im Vergleich zu anderen Ländern der Region nicht weit verbreitet. Das heißt, hier wird bereits angesetzt, etwas zu verändern, auch wenn die neue Verfassung noch nicht rechtskräftig ist.

Die amtierende Regierung hat ein Programm verabschiedet, das sich vorrangig gegen Gewalt gegen Frauen richtet, unterstützt von den Vereinten Nationen. Darin geht es um den besseren Zugang von Frauen, die Gewalt erfahren haben, zu Gesundheitsdiensten, Schutz und rechtlichem Beistand.

Weitere Projekte zum Thema women’s empowerment finden sich auf diesen Seiten:



Klar, auf dem Papier ist alles einfach, aber wie heißt es so schön: Erkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.

Sambia gilt als säkular, obwohl die Republik sich in ihrer Verfassung 1996 als christliche Nation deklariert hat. Direkte Auswirkungen (in der Politik) haben sich bisher nicht gezeigt.
Geschätzte 70-90 Prozent der Bevölkerung gehören dem Christentum an, der Rest teil sich in Muslime, Hindus und andere Religionen auf.
Religiös motivierte Konflikte sind bisher nicht aufgetreten.

Große Probleme bleiben Armut (Die Weltbank spricht von 61% der Bevölkerung in Armut), die Verbreitung von HIV und die Verfolgung und Bestrafung von Homosexuellen.
Unicef berichtet, dass 16,1 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren und 12,3 Prozent der Männer (15-49) HIV positiv sind.
Im Strafgesetzbuch Sambias steht, dass gleichgeschlechtliches Verhalten mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft wird. Der direkte Wortlaut lautet „gross indecency“, kann also je nach Laune ausgelegt werden.
Der neue Verfassungsentwurf von 2012 ist im Ton noch deutlich schärfer geworden. 
Die Todesstrafe existiert ebenfalls immer noch in Sambia, wurde aber zuletzt 1997 vollstreckt.


Da muss sich aber eine Menge ändern. Gibt es denn Hoffnung, dass sich etwas ändert?

Darüber könnte ich noch viele weitere Blogeinträge schreiben, die Kernprobleme sind auch in Sambia nicht leicht und nicht schnell aus der Welt zu schaffen.

Zum Thema HIV Neuinfektionen schreibt UNAIDS, dass die Rate der Neuinfektionen in Sambia von 2001 auf 2011 um 58 Prozent gesunken ist. Auch die Kindersterblichkeitsrate der Kinder unter fünf Jahren ist gesunken. Das ist positiv, aber die Zahl der Neuinfektionen bei HIV ist immer noch zu hoch. (Nebenbei: 2012 haben sich in Deutschland geschätzte 3400 Personen infiziert. Hier gibt es weltweit noch genug zu tun.)

Für 2013 erhielt das Ministerium für Gesundheit aus Globalen Fonds umgerechnet 100 Millionen US-Dollar für HIV-Programme (Verteilung von antiretroviralen Medikamenten, Unterstützung, Aufklärung und kostenlose Tests). 


Es gibt sie also, die sinnvollen Investitionen in die Zukunft des Landes, auch wenn sie von vielen Korruptionsskandalen und Menschenrechtsverletzungen überschattet werden.
Ich will hier nichts beschönigen, Sambia hat eine Menge Probleme. Wer sich zum Beispiel in die prekäre Lage der Minenarbeiter in chinesisch geführten Minen hineinarbeiten möchte, kann dies gerne tun.

Achtung, jetzt kommt eine Abhandlung über die aktuelle politische Lage in Sambia. Kürzer ging nicht! :P


2. Die politische Lage in Sambia

1991 wurde in Sambia das Mehrparteiensystem eingeführt, zuvor beherrschte nach der Unabhängigkeitserklärung seit 1964 die UNIP (United National Independence Party) das politische Geschehen Sambias, quasi mit Einparteienherrschaft.
1991 wurde die Partei MMD (Movement for Multiparty Democracy) zugelassen, die bis 2011 durchgehend an der Macht blieb.
2011 gewann Michael Sata mit seiner Patriotic Front (PF) die freien Wahlen. Eine ehemalige Oppositionspartei übernimmt somit das Regierungsgeschehen. 
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/fischer-weltalmanach/65780/sambia?p=all

Bemerkenswert:
In Sambia gibt es seit 1991 freie Wahlen in einem Mehrparteiensystem. Durch den Wahlgewinn der Patriotic Front 2011 zeigt sich, dass friedliche Machtwechsel in Sambia möglich sind. Kein Militärputsch, kein Bürgerkrieg führte zur Änderung der Machtverhältnisse, sondern freie Wahlen. (Ob sie fair waren, bezweifelt der Länderbericht des BTI. Die EU-Wahlbeobachter sprechen von 'relativ' fairen Wahlen.)
Bei den Wahlen 2011 gab es einige gewalttätige Auseinandersetzungen, aber bis auf diese Ausnahmen blieben sie friedlich.
Auch hier gibt es eine Menge Verbesserungsmöglichkeiten: Korruption grassiert in Sambia, vor allem im Gerichtswesen und in der Verwaltung.
http://www.eueom.eu/files/pressreleases/english/eueom_zambia_final_report_en.pdf (Bericht der EU-Wahlbeobachter)

Bemerkenswert 2:
Im sambischen Militär gibt es eine Balance der Ethnien. Dieses Konzept wurde bis heute durchgehend eingehalten. Das Militär hat also keine Vormachtstellung innerhalb bestimmter ethnischer oder politischer Gruppen und die Regierung hält ein politisch neutrales Militär für wichtig. Das erklärt, warum es bisher keinen erfolgreichen Militärputsch gab. Wie es nur zu wenigen Versuchen kam, erklärt Stefan Lindemann im zweiten Link.

http://www.issafrica.org/pubs/Books/civmilzambiaaug04/Contents.htm 
http://journals.sub.uni-hamburg.de/giga/afsp/article/viewFile/460/458

Die Macht des Präsidenten

Sambia ist eine präsidiale Republik, aber der amtierende Präsident hat weitgehende Rechte. Er wird für fünf Jahre gewählt, darf jedoch maximal zweimal zum Präsidenten gewählt werden. Er kann das Parlament auflösen, ernennt unter anderem den Obersten Richter und den Parlamentssprecher.

Das ist für eine stabile Demokratie Sambias problematisch, schließlich ist eine ordentliche Gewaltenteilung Grundlage einer demokratischen Gesellschaftsordnung.
Darüber hinaus hat Präsident Michael Sata viele der wichtigsten Posten des Landes mit seinen Verwandten oder Gönnern seiner Partei besetzt, wie zum Beispiel das Finanzministerium mit seinem Onkel Alexander B. Chikwanda.
Und das, obwohl er eine massive Bekämpfung der Korruption im Land vorantreiben wollte.
http://thinkafricapress.com/zambia/sata-pf-after-two-years-record-development-repression

Kennen wir vielleicht auch aus Deuschland, dass Wahlversprechen nicht unbedingt oder abgeschwächt realisiert werden und Familienmitglieder Stellen bekommen. (Nicht wahr, liebe CSU?) 

Zu Gute halten darf man der sambischen Politik und der Bevölkerung, dass bisher keine größeren gewalttätigen Konflikte aus den politischen Auseinandersetzungen entstanden sind (Es gab Auseinandersetzungen von Pro-PF-Demonstranten und Oppositionsbefürwortern, die aber bisher nur vereinzelt auftraten), auch nicht trotz Unzufriedenheit und anhaltender Armut. Und dass trotz Korruption und überbordender Bürokratie die demokratischen Institutionen weitgehend funktionieren.
Auch hier wieder mit der Einschränkung, dass es zu wenig effektive Kontrollinstanzen für die Regierung und den Präsidenten gibt. Korruptionsanklagen gab es bisher hauptsächlich für ehemalige Regierungsmitglieder. Das könnte in Zukunft tatsächlich zu einem größeren Problem werden, sollte Michael Sata seine Macht durch Veränderungen der Verfassung massiv erweitern.

http://www.bti-project.de/fileadmin/Inhalte/reports/2014/pdf/BTI%202014%20Zambia.pdf
 
3. Fazit

Wenn Präsident Sata seine Versprechen hält und auch in den eigenen Reihen aufräumt, Kritik der Opposition ernst nimmt und politischen Diskurs nicht blockiert, muss Sambia nicht zum zweiten Simbabwe werden, zur nächsten Diktatur, wie Thomas Scheen von der FAZ prophezeit.
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/sambia-die-geburt-einer-diktatur-11797831.html

Jedes Land in Afrika hat seine eigene komplex politische, zu vielen Teilen komplex ethnische Lage, wie viele Länder der Welt auch. Wenn in Sambia 61 Prozent der Menschen in Armut leben, dann muss die Bevölkerung im angrenzenden Tansania oder Angola nicht ebenfalls diese Entwicklung haben.
Frankreich und Deutschland haben schließlich auch genügend Unterschiede und eigene Probleme.

Herausforderungen gibt es in Sambia genügend, aber ich hoffe, dass alle, die sich bis hierher durchgekämpft gelesen haben, einen differenzierteren Blick auf zumindest diesen afrikanischen Staat bekommen haben. Ich habe viele Dinge nich mehr reinbringen können, da darf jeder gerne selbst weiterlesen, vor allem was die Maßnahmen zur Armutsbekämpfungen angeht und die Stimmen und Verteilung der Opposition.

Afrikanische Staaten sind kein hoffnungsloser Fall.
Ich drücke Sambia die Daumen!
Und bis dahin hören wir einen Song der momentan bekanntesten sambischen Künstlerin: Mampi mit Walilowelela

1 Kommentar:

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