Donnerstag, 10. Juli 2014

Wer ist die Hamas? Geschichte und aktuelle Lage

Wer ist die Hamas? Geschichte und aktuelle Lage

Im Gazastreifen und in Israel stehen mal wieder die Sirenen nicht still. Raketenangriffe aus dem Gazastreifen, Vergeltungsschläge aus Israel. Die Option der Zwei-Staaten-Lösung scheint wieder einmal in weiter Ferne. Doch wer steckt hinter den Anschlägen und warum ist die Lösung des Konfliktes so ungreifbar?
Ich werde versuchen, einen groben Überblick zu geben, denn dieser Konflikt füllt bereits seit Jahrzehnten ganze Bibliotheken ;(.

1. Entstehung
Die Gründung der Hamas oder lang: arakat al-muqâwama al-islâmîya, Bewegung des islamischen Widerstandes“ gründete sich 1987/88 als militärischer Zweig der Muslimbrüderschaft in Palästina.
Die Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt, dass der Islam bei dem Kampf um die Befreiung Palästinas bis dahin keine nennenswerte Rolle spielte. Nicht nur deshalb distanzierte sich die PLO, die Palästinensische Befreiungsfront, (Palestine Liberation Organisation) von der Hamas, nach ersten Annäherungen. Die erste Intifada gilt als die Geburtsstunde der radikalen Hamas. Der Widerstand der Palästinenser gegen die Besetzung Israels schreckte die Weltgemeinschaft auf. Steine, Molotow-Cocktails, Boykott israelischer Produkte auf der einen Seite und massive Gegen- und Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Regierung auf der anderen.
1988 rief die PLO den Palästinensischen Staat aus, der einen großen Teil des Westjordanlandes und den Gazastreifen mit einbezieht. Allerdings will die PLO das gesamte Westjordanland und Ost-Jerusalem für sich beanspruchen. Dies führt zu den immer wiederkehrenden bewaffneten Auseinandersetzungen, besonders in kritischen und umstrittenen Gebieten, in denen Israel zum Teil Siedlungsbau vorantreibt. Deeskalationspolitik gibt es auf beiden Seiten nicht.
Die ersten Selbstmordattentate der Hamas traten in den 90ern auf, um den Friedensprozess zwischen der PLO und Israel zu unterbinden. Bis heute erkennt die Hamas den Staat Israel nicht an und spricht von der Vernichtung.
1993 endete die Intifada mit der Gründung der Autonomiebehörde, der ersten Regierung Palästinas.

Exkurs Fatah
Hauptorganisation der PLO war und ist die Fatah. Diese gründete sich bereits 58/59 als bewaffnete Befreiungsorganisation zur Errichtung eines säkularen, demokratischen Staates auf palästinensischem Gebiet. Die Friedensbemühungen und die Erfolge aus den Oslo-Abkommen und Friedensgesprächen werden immer wieder durch radikale Kräfte und Vergeltungsschläge ruiniert.
Im Gegensatz zur Hamas erkennt die PLO den Staat Israel an und hat dem Terrorismus abgeschworen. Das waren zumindest die Bedingungen für den Friedensprozess 1988. Heute ist es mit dem Frieden und der Waffenruhe nicht ganz so eindeutig, wie es auf dem Papier stehen mag.
Bei der zweiten Intifada 2000, die fünf Jahre anhalten sollte, beteiligten sich nicht nur die Hamas, sondern viele weitere Fraktionen der PLO und radikale Kräfte an den Gewaltakten. Korruptionsvorwürfe und Vetternwirtschaft begünstigten den Anstieg radikaler Kräfte innerhalb der Autonomiebehörde.


Ausführlicher Ablauf der ersten Intifada:

Weitere Informationen zur zweiten Intifada 2000 hier:


2. Ziele und Wirken der Hamas
Hauptziele der Hamas sind die Vernichtung des Staates Israel und die Errichtung eines Staates für Muslime in Palästina. In ihrer Charta lehnt die Hamas Friedensbewegungen ebenso ab, wie eine Zwei-Staaten-Lösung.
Trotzdem nahm sie 2006 zum ersten Mal an den Wahlen in Palästina Teil und musste prompt die Regierungsgeschäfte übernehmen. Das bedeutet also, dass die politische Realität in Palästina immer komplizierter wurde, schließlich distanzierte sich die Fatah bis in die jüngste Zeit von den Anschlägen und Ansichten der Hamas. Eine gemeinsame Regierungsbildung ist provisorisch erst 2014 erfolgt (Ausgang ungewiss) und die innenpolitische Lage ist zuvor bereits mehr als einmal gewalttätig eskaliert.

Einer der Ursprünge der Hamas liegt vor der ersten Intifada. Ausgehend aus der Muslimbrüderschaft sollte die Strömung, die bis dahin noch nicht militärisch auftrat, als Hilfsverein die nicht vorhandene Infrastruktur im Gazastreifen unterstützen und den Menschen helfen. Von Moscheen, Krankenhäusern, Kindergärten, Gesundheitswesen bis zu Armenküchen – die ärmsten Menschen erhielten und erhalten hier die Hilfe, die ihnen von anderen Seiten, ob Fatah oder Israel verwehrt bleibt.
Bis heute kontrolliert die Hamas hauptsächlich den Gazastreifen.
Dieses Netzwerk ist sicherlich eine gute Option, auch die terroristischen Aktivitäten zu finanzieren und zu vertiefen. Allerdings sind die Hintergründe kaum klar auszumachen. Fakt ist, dass Gelder für soziales Engagement von allen Seiten kommt. Aus dem Iran, Ägypten, Saudi-Arabien und Co. Irgendwoher müssen die vielen Raketen und Waffen ja stammen, leider.
Allerdings kämpft die Hamas immer wieder mit Geldsorgen, vor allem nach dem Arabischen Frühling, der einiges in der arabischen Welt verändert und für kompliziertere Machtverhältnisse gesorgt hat.
Zusätzlich zu den Selbstmordanschlägen kommen Gewaltakte gegen Fatah-Angehörige oder Palästinensern, die sich nicht zu den Zielen der Hamas anschließen oder politisch ungewollt sind. Deshalb sehen viele Gazastreifen-Bewohner und Palästinenser die Hamas nicht unbedingt als die Erlöser an, vor allem, da die Gewaltaktionen und Anschläge die Zivilbevölkerung treffen, sei es in Israel oder in palästinensischen Gebieten. Andere sehen die Anschläge und Vergeltungsakte der Hamas gegenüber Israel durchaus positiv, als Machtdemonstration und Hilfe zur Befreiung Palästinas.
Dass die versprochene Befreiung schon mehrere Jahrzehnte andauert und Zehntausende Tote und Verletzte fordert, bleibt oft im Hintergrund.


3. Hamas und Fatah als Einheitsregierung?
Neben den Anschlägen und der Infrastruktur sorgt die Hamas seit 2006 auch für Politik. Allerdings führte das zu inneren Konflikten, denn trotz des Wahlsieges widerstrebt vielen Anhängern ein politischer Weg und eine Aussöhnung mit Israel. Das sorgt für ständige Konflikte mit der Fatah, die zwar auch keine blütenreine Weste hat, allerdings bisher immer wieder ein wichtiger Pfeiler der Friedensbemühungen war. Schließlich erklären sie eine Zwei-Staaten-Lösung mit demokratischen und säkularen Strukturen, im Gegensatz zur Vernichtung Israels und einem islamischen Einheitsstaat.
Als die Hamas 2006 an die Macht kam, wurden sämtliche Unterstützungen, die die PLO international erhielt, sofort gestoppt. Mit Terroristen verhandelt schließlich niemand.
Die Hamas wälzte die Autonomiebehörde massiv um, ersetzte alle wichtigen Posten mit Islamisten und Nahestehenden. Die Radikalisierung des Staates schien das Aus für sämtliche Friedensgespräche mit Israel zu bedeuten.

Allerdings gibt es auch Zeichen der Hoffnung, denn eine gemeinsame Regierung von Hamas und Fatah wurde im Juni 2014 verabschiedet. Als Bedingung der Zusammenarbeit gilt die noch ausstehende Änderung der Charta der Hamas, dass Israel zu vernichten und ein islamischer Staat zu errichten seien. Wenn es gelingt, die Hamas zu entwaffnen und in einen politischen Diskurs einzubeziehen, könnte die Lage etwas entspannter werden. (Eine Lösung ist jedoch weit weit weit weg...)

Doch Waffenruhen und Phasen des Aufatmens sind im Nahost-Konflikt brüchig und niemals von Dauer. Das zeigt sich in der jüngsten Ermordung der drei israelischen Jugendlichen, vermutlich durch radikale Islamisten, der Vergeltungsmorde jüdischer Extremisten an palästinensischen Arabern und den nun nachgefolgten Raketenangriffen beider Seiten.

Vergeltung ist eines der Unworte im gesamten Konflikt. Israel bereitet Bodentruppen vor, einige Journalisten befürchten eine dritte Intifada auf Seiten Palästinas und ein massiver Gegenschlag des israelischen Militärs, der für die Zerstörung der radikalen Kräfte sorgen soll.


5. Was nun?
Die Hamas ist noch lange nicht in der Lage für eine stabile Regierung oder konstruktive Gespräche zu sorgen. Doch die Fatah hat ihre Anhänger in der Vergangenheit immer wieder enttäuscht und der langsame, schleichende Friedens?- Zwei-Staaten?-Prozess ist Nährboden für radikale Ansichten und Schnellschüsse, so wie Feindbilder.
Vermutlich verfügt der militärische Arm der Hamas über sehr viele Waffen und Munition, genau sagen kann dies niemand. Das bietet zwar nicht unbedingt Schutz gegen die Übermacht Israels, aber die Bevölkerung hat niemanden, an den sie sich sonst wenden kann. Keine Luftschutzbunker oder Versorgungsstationen.
Fest steht allerdings auch, dass die Hamas nicht einfach als radikale islamistische Terrororganisation abzustempeln ist. Ihre Strukturen reichen bis in viele Länder hinein und innerhalb bestimmter Gebiete sorgt sie für eine gewisse Stabilität. Außerdem kann die Palästinensische Autonomiebehörde momentan nicht ohne die Hamas funktionieren.
Eine erneute Teilung des Staates in radikale und moderate Strömungen wird den Konflikt nicht beenden oder erleichtern. Israels Gegenschläge haben in den vergangenen Jahren weder zum Ende noch zu einer konstruktiven Lösung des Konfliktes beigetragen. Allerdings bedroht die Hamas bis zuletzt die Existenz Israels. Das ist auf keinen Fall ein guter Verhandlungsboden.
Dass die Bevölkerung seit Jahrzehnten leidet, werden die erneuten Raketenangriffe und Anschläge nicht ändern, sondern nur noch verschlimmern.

138 (Deutschland enthielt sich) der 193 UN-Mitglieder haben 2012 den Palästinensischen Staat als Beobachterstaat innerhalb der UN anerkannt. Damit ist der Staat zwar kein UN-Mitglied, besitzt jedoch Rederecht und kann beim Internationalen Gerichtshof als Kläger auftreten.

Vielleicht gibt es irgendwann noch eine diplomatische Lösung. Ich glaube allerdings nicht daran, dass ich das noch erleben werde. Die nächsten Jahre werden sicher weiter von Terrorismus, Vergeltung und Krieg gezeichnet sein. Eine Entwaffnung der Hamas, ohne große Verluste auf beiden Seiten, schließe ich aus. Es kommt vielleicht eher zur Zerschlagung, Zersplitterung und Guerilla-Taktiken. Dafür sind die radikalen Kräfte in der arabischen Welt leider immer noch zu gut finanziert, organisiert und haben viel zu viel Rückhalt in bestimmten Bevölkerungsgruppen.
Israels Regierung ist auch seit Jahren auf Gegenkurs, anstatt den Friedensprozess von sich aus zu starten oder nach Alternativen zu suchen, die trotz anhaltendem Terror möglich sein könnten.



Ich bin faul, deshalb gibt es die Links nur als Liste. SORRY!

Linkliste:









Dissertation zur Hamas: